Am 14. Juni 2003 reichte die Dr. Rath Health Foundation eine förmliche Klage beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag ein. Die erhobenen Anschuldigungen im Einzelnen füllten eine 36 Seiten umfassende Klageschrift; darunter Völkermord und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Irakkrieg sowie in Verbindung zum Pharmainvestmentgeschäft mit der Krankheit. Die von uns vor das ICC gebrachten Vorwürfe zählen erklärtermaßen zu den schlimmsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte. Aber trotz dieser schwerwiegenden Anklagepunkte haben es die beiden Hauptbeschuldigten, George Bush und Tony Blair, bislang geschafft, sich der Justiz zu entziehen. Da die USA sich weigern, den ICC anzuerkennen, erscheint im Fall von Bush eine juristische Verfolgung weiterhin unwahrscheinlich. Bei Blair dagegen, der zudem nach wie vor erheblichen politischen Einfluss genießt, nehmen die Bestrebungen, ihn nach Den Haag zu zitieren, mehr und mehr an Fahrt auf, und so ist der Fall alles andere als zu den Akten gelegt.
Die von uns vorgebrachten Anschuldigungen bezogen sich auf zwei Hauptbereiche. Der erste richtet sich auf Verbrechen durch die Pharmaindustrie. Darin eingeschlossen sind Völkermord und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der zweite Bereich betrifft Vergehen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg vom Jahr 2003 sowie die internationale Eskalation zu einem Dritten Weltkrieg. Hierunter zählen Kriegsverbrechen, Verbrechen der Aggression und weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Zwischen beiden in der Klageschrift genannten Bereichen gibt es eine direkte Verbindung, weil die Verbrechen jeweils im Interesse der gleichen wirtschaftlichen Kräfte begangen wurden, genauer: bestimmten Investmentgruppen und deren politischen Fürsprechern. Aus diesem Grund versammelt unsere Klage sowohl Einzelpersonen aus der Politik, aber auch Unternehmen der Pharmabranche, der petrochemischen Industrie und aus dem Finanzsektor, darüber hinaus Lobbyisten und andere Interessensgruppen, Vertreter internationaler Medien und noch weitere Institutionen und Personen.
Während der Internationale Strafgerichtshof im Jahr 2003 nicht willens war, eine Untersuchung gegen die Beschuldigten in die Wege zu leiten, so kam der Druck gegenüber Blair und Bush, sich für ihre Taten verantworten zu müssen, doch weltweit niemals zur Ruhe, sondern er nahm sogar zu.
Als Reaktion auf diesen wachsenden Druck kündigte im Jahr 2009 der damalige Premierminister Gordon Brown eine Untersuchungskommission an, um die Lehren aus den Verfehlungen des Irakkriegs zu ziehen. Als Vorsitzender wurde der frühere Ministerialbeamte Sir John Chilcot ernannt. Im Herbst des gleichen Jahres begannen die ersten Anhörungen. Sie erstreckten sich über fast zwei Jahre, bis 2011. Die von der Untersuchungskommission gesichteten schriftlichen Zeugnisse umfassten insgesamt 150 000 Dokumente. Es folgten einige Jahre der Verzögerung, in denen über die Herausgabe geheimen Materials gestritten wurde. Doch am 6. Juni 2016 erschien endlich der umfangreiche Abschlussbericht.
Soweit es die Beteiligung von Tony Blair betrifft, ist der Bericht schlichtweg vernichtend. Unter anderem kommt er zu den Ergebnissen, dass Blair ganz bewusst die seinerzeit durch Saddam Hussein ausgeübte Bedrohung weit übertrieb; dass er überdies George Bush gegenüber das Versprechen abgab, er werde ihm „was auch immer geschehe“ beistehen; dass seine Kabinettsentscheidung über den Einmarsch britischer Truppen in den Irak unter Umständen zustande kam, die weit davon entfernt waren zufriedenstellend zu sein; dass er sich willkürlich über jene Einschätzungen hinwegsetzte, die vor den Folgen einer solchen Invasion warnten. Die Zerstörungen und das Chaos, welche seither das Geschehen im Mittleren Osten bestimmen und mit ihren Konsequenzen auf Europa und die ganze Welt zurückwirken, bezeugen die schiere Rücksichtslosigkeit dieser Entscheidungen.
Das wohl vernichtendste Urteil für Blair und dessen Regierung fällt der Bericht, indem er die Zahl derer, die infolge des Krieges ihr Leben verloren, auf bis zu 1,2 Millionen Opfer angibt. Die Anschuldigungen gehen noch weiter: Der einstige Premier und sein Kabinett hätten sich, so der Bericht, mit mehr Eifer der Frage gewidmet, welchem Ressort die Verantwortlichkeit zufalle, die absehbare Zahl der Toten zu ermitteln, anstatt sich um die Opfer ihrer Invasion selbst zu kümmern. Anscheinend bestand ihr Hauptinteresse darin, die „Vorwürfe abzuwiegeln, die Koalitionsstreitkräfte tragen die Verantwortung für die große Zahl der Toten“ im Irak.
Unter den im Krieg Getöteten befinden sich auch Briten. Im Nachgang der Berichtsveröffentlichung und aufgrund der darin zutage geförderten Erkenntnisse beabsichtigen nun einige der Familien, Blair zu verklagen. Dass sowohl die juristischen Kosten derartiger Verfahren gegen den Ex-Premierminister als auch eventuell daraus resultierende Folgekosten nicht etwa ihm, sondern abermals den britischen Steuerzahlern aufgebürdet werden, ist nur eine weitere Schande dieses Falls.
Den Skandal um Blair verstärkt ins Licht der Öffentlichkeit zu holen und so den Druck auf den vormaligen Regierungschef weltweit zu erhöhen, verspricht ein jüngst erschienener Dokumentarfilm mit dem Titel »The Killing$ of Tony Blair« (etwa: Die Leichen des Tony Blair). Dessen Zustandekommen wurde maßgeblich unterstützt durch den britischen Politiker und Rundfunkaktivisten George Galloway. Der Film beleuchtet Blairs Aufstieg zum Premierminister und seine geschäftlichen Umtriebe, seit er aus dem Amt schied. Hierzu zählen etwa seine Beratungstätigkeiten für Regierungen, deren höchst fragwürdiger Umgang mit den Menschenrechten nur allzu bekannt ist. Dokumentiert wird die verschwenderische Überhäufung Blairs mit allen möglichen Ehrungen und wie er es zu einem atemberaubenden persönlichen Wohlstand brachte. Dadurch wirft Galloway die Frage auf, wie sehr Blairs Entscheidungen im Amt des britischen Premierministers von eigennützigen Überlegungen getragen wurden, Überlegungen im Hinblick auf seine Post-Regierungszeit.
Der Film enthüllt die schockierende Realität von Blairs todbringendem Entschluss, gemeinsam mit George Bush in den Irak einzumarschieren. Er untersucht, wie es durch diese Komplizenschaft zu einem der schlimmsten Verbrechen dieses Jahrhunderts kam. Damit zieht der Film im Grunde die gleichen Schlüsse wie wir damals, als wir unsere Klage im Jahr 2003 vor dem Internationalen Strafgerichtshof einreichten.
Wie George Galloway herausarbeitet, läuft der Irakkrieg letztlich auf einen unter dem Deckmantel der Demokratie durchgeführten Staatsstreich hinaus. Die Tatsache, dass im Vorfeld dieses Krieges rund eine Million Menschen gegen die von Blair verkörperte Politik auf einem Protestmarsch in London demonstrierten, änderte nichts daran, dass die unter seiner Führung vorsätzlich vom Zaun gebrochenen Kriegsgräueltaten letztlich auch in ihrem Namen begangen wurden. Obwohl etliche Menschen ihn ablehnten, wurde der Krieg doch unter britische Flagge losgetreten, er wurde durch das Geld britischer Steuerzahler finanziert und er wurde vom britischen Parlament abgesegnet.
Was also dürfen wir erwarten von Blairs jüngster Rückkehr auf die politische Bühne? Was ist zu halten von seinem Beharren darauf, der Brexit könne gestoppt werden? Im Wissen über seine engen Beziehungen zur Herrscher-Clique der Brüsseler EU und in Anbetracht seiner Geldgeber aus dem Bereich der Wirtschaft sowie angesichts seiner freundschaftlichen Verbindungen zu Vertretern der Massenmedien kann es überhaupt keinen Zweifel daran geben, wessen Interessen dieser Mann tatsächlich vertritt.
Tief in seinem Innern jedoch und zumal er bereits von der Justiz in Malaysia wegen Völkermordes, Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden ist, wird sich auch Blair darüber im Klaren sein, dass Tag um Tag die Zahl jener Menschen wächst, die ihn aufgrund seiner Vergehen vor ein Gericht gestellt sehen wollen. Wie wir schon bei Einreichung unserer Anklageschrift beim ICC im Jahr 2003 zum Ausdruck gaben, wissen sowohl Bush als auch die anderen von uns Beschuldigten sehr genau, dass eine Zeit kommen wird, da sie für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Solange sie in Verhöhnung der unzähligen Opfer, denen ihre Untaten Leid und Tod brachten, dennoch ungestraft davonkommen, steht unsere Stiftung voll und ganz an der Seite jener Menschen, die ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen.