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Ignaz Semmelweis: Zuerst von seinen Kollegen belächelt, später als Held gefeiert

Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis (1818-1865) rettete mit seiner Entdeckung über die bakterielle Ursache für das Kindbettfieber Millionen Müttern das Leben. Dennoch litt er zeit seines Lebens unter enormen Widerstand seitens seiner Kollegen und Vorgesetzten. Sogar seine Frau und seine Freunde stellten sich irgendwann gegen ihn. Schließlich jedoch, wenn auch erst Jahre nach seinem Tod, wurden seine wissenschaftlichen Erkenntnisse öffentlich anerkannt und lösten die gängige Lehrmeinung (Händewaschen habe nichts mit der Krankheit zu tun) allmählich ab.

Semmelweis entstammte, als fünftes von zehn Geschwistern, einer reichen Kaufmannsfamilie. Er studierte zunächst Jura und wechselte dann aus unbekannten Gründen zur Medizin. Als er mit 26 Jahren seinen Abschluss meisterte, arbeitete er unter Professor Johann Klein in der Geburtsabteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Zu dieser Zeit starben etwa 10 Prozent aller Mütter an Kindbettfieber. Damals war man ratlos und wusste keine Ursache für die Epidemie.

Nächste Woche trete ich meine Stelle als »Herr Doktor« auf der ersten Station der Entbindungsklinik im Allgemeinen Krankenhaus von Wien an. Ich war entsetzt, als ich vom Prozentsatz der Patienten hörte, die in dieser Klinik sterben. In diesem Monat starben dort sage und schreibe 36 von 208 Müttern, alle an Kindbettfieber. Ein Kind zur Welt zu bringen, ist genauso gefährlich wie eine Lungenentzündung ersten Grades.

Tagebuch von Ignaz Semmelweis, Juli 1846

Der medizinische Durchbruch

Die Geburtenklinik hatte zwei unterschiedliche Abteilungen. In der zweiten Abteilung betrug die Todesrate für Kindbettfieber nur vier Prozent. Deswegen bettelten bald alle Frauen, in der zweiten Abteilung untergebracht zu werden, was natürlich nicht immer möglich war. Einige Frauen jedoch gebaren lieber auf der Straße als in die „Todesklinik“ eingeliefert zu werden, und sie hatten damit durchaus Recht, denn Statistiken beweisen, dass es sicherer war, auf der Straße zu gebären, als in der ersten Abteilung der Klinik. Das veranlasste Semmelweis sofort, Nachforschungen anzutreten.

Es schien mir logisch, dass die Wöchnerinnen, die eine sogenannte Gassengeburt überstanden hatten, wenn nicht häufiger, doch wenigstens so häufig hätten erkranken müssen, als diejenigen, welche bei uns geboren. Wir haben früher unsere unerschütterliche Ueberzeugung dahin ausgesprochen, dass die Sterblichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik nicht durch epidemische Einflüsse bedingt sei, sondern dass es endemische, jedoch noch unbekannte Schädlichkeiten seien, d. h. solche Schädlichkeiten, welche nur innerhalb der Grenzen der ersten Klinik ihre verderblichen Wirkungen äussern. Was hat nun die ausserhalb des Gebärhauses Entbundenen vor den verderblichen Wirkungen der an der ersten Klinik thätigen unbekannten endemischen Einflüsse geschützt?

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Semmelweis versuchte fortan, herauszufinden, worin der Hauptunterschied der beiden Kliniken bestand. Er stellte fest, dass der einzige signifikante Unterschied in den Mitarbeitern bestand, die dort arbeiteten. In der ersten Abteilung lernten Medizinstudenten und studentische Aushilfskräfte, und in der zweiten Abteilung lernten Schwesternschülerinnen. Das allein brachte Semmelweis aber immer noch nicht auf die entscheidende Spur.

Erst 1847, als sein Freund starb, bekam Semmelweis einen entscheidenden Hinweis: Während einer Autopsie verletzte sich sein Freund und Kollege Jakob Kolletschka an einem Skalpell, mit dem vorher die Leiche geöffnet worden war. Kolletschka starb kurze Zeit später an den gleichen Symptomen wie beim Kindbettfieber. Semmelweis verstand nun, dass zwischen den Leichen und dem Kindbettfieber ein Zusammenhang besteht. Die Medizinstudenten in der ersten Abteilung gingen direkt von den Autopsien der Leichen in das Geburtenhaus, wo sie die Frauen untersuchten.

Semmelweis machte es fortan zur Regel, dass sich jeder sofort die Hände mit einer Seifen- und Chlorlösung gründlich waschen sollte, wenn er mit der Arbeit an Leichen fertig war und bevor er in die Frauenklinik ging. Und tatsächlich: Die Kindbettfiebererkrankungen wurden deutlich seltener! Somit war für Semmelweis klar und bewiesen, dass sich Kindbettfieber durch simples Händewaschen vermeiden lässt und die Ursache dafür in mangelnder Hygiene bestand.

Jetzt könnte man meinen, fortan wurde Semmelweis als Held gefeiert, ihm wurden Statuen erbaut und Lieder gesungen. Aber das Gegenteil war der Fall: Seine Erkenntnisse wurden unter den Teppich gekehrt, lächerlich gemacht und abgestritten. Semmelweis verlor über diesen Konflikt sogar seine Anstellung. Frustriert und seelisch geschwächt zog er um nach Pest (heute Budapest). 1857 heiratete er Maria Weidenhoffer, Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns, und bekam mit ihr fünf Kinder, von denen zwei leider früh starben, was ihn seelisch ebenfalls sehr geschwächt haben muss.

Frühformen der Akzeptanz

Wenngleich Semmelweis in Ungarn ignoriert wurde, so bekam er andernorts Zuspruch. Im Vereinigten Königreich war er sehr anerkannt. W. Tyler Smith, ein englischer Arzt, schrieb, dass Semmelweis „völlig zu Recht behauptet, dass Kleinstorganismen aus der Pathologie“ Kindbettfieber hervorrufen können.

1856 schrieb Semmelweis’ Nachfolger Josef Fleischer in der Wiener Fachzeitung für Ärzte über „die bahnbrechenden Erfolge des Händewaschens zur Vermeidung von Kindbettfieber“.

Zwei Jahre später publizierte Semmelweis seine eigene Abhandlung zum Thema: „Die Ätiologie des Kindbettfiebers“. Darauf folgte 1860 die Veröffentlichung „Der Unterschied in Meinungen zwischen mir und englischen Ärzten über das Kindbettfieber“ und 1861 dann sein Hauptwerk „Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers“.

Schwerer Widerstand des medizinischen Establishments

Sollten Sie aber, Herr Hofrat, ohne meine Lehre widerlegt zu haben, fortfahren, Ihre Schüler und Schülerinnen in der Lehre des epidemischen Kindbettfiebers zu erziehen, so erkläre ich Sie vor Gott und der Welt für einen Mörder.

Brief an Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels, deutscher Gynäkologe, in Würzburg, 1861

Generell war die Reaktion auf Semmelweis’ Arbeit negativ gefärbt. Sogar Robert Virchow, ein Star seiner Zeit, wies Semmelweis’ Thesen ab. Virchow genoss in medizinischen Kreisen hohes Ansehen und galt als Meinungsmacher. Wenn er eine Idee oder Theorie abwies, folgen seine treuen Kollegen ihm blind. In diesem Fall zum Leiden der Mütter.

Ede Flórián Birly, Semmelweis’ Vorgänger an der Budapester Universität, stritt ebenfalls die Arbeiten über Kindbettfieber ab. Ihm zufolge war die Ursache eine „Unreinheit“ im Bauch der Mutter.

Carl Edward Marius Levy von der Kopenhagener Geburtsklinik war ebenso ein erklärter Gegner von Semmelweis. Er bezweifelte die „unspezifische Beschreibung der Kindbettfieber auslösenden Partikel“.

Die jahrelangen Auseinandersetzungen hinterließen Spuren an Semmelweis’ Gesundheit: 1861 litt der unter massiven neurologischen Störungen und Depressionen. Abbildungen die ihn zwischen 1857 und 1864 zeigen, illustrieren einen rapiden Alterungsprozess. Es wurde gesagt, dass Semmelweis keine gewöhnliche Konversation führen konnte, ohne das Wort Kindbettfieber zu erwähnen, so besessen war er, so ohnmächtig der allgemeinen Ignoranz gegenüber.

Image: By Jeanneluca2 (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

1861 schrieb Semmelweis dann eine Anzahl offener Briefe an Europas führende Spezialisten der Geburtshilfe und Gynäkologie. Er bezeichnet seine Kollegen als Mörder und verantwortungslose Ignoranten, wenn sie seine Lehren nicht sofort anerkennen und umsetzen. Er versuchte mit Eduard Caspar Jacob von Siebold, ein europäisches Symposium zu organisieren, sodass er alle von seinen Forschungen überzeugen konnte. Niemand hatte Interesse.

Um 1865 wurde Semmelweis’ Verhalten auffällig. Er begann zu trinken und hatte öffentliche Ausfälle. Er litt unter Stimmungsschwankungen und verlor seine kognitiven Fähigkeiten. So wurde er im Alter von nur 47 Jahren in eine Irrenanstalt überwiesen. Er wurde mit Zwangsjacke in eine dunkle Zelle gesperrt und starb dort zwei Wochen später an einer infizierten Wunde, die durch Schläge des Personals verursacht wurde.

Semmelweis wurde am 15.8.1865 begraben. Nur wenige Trauergäste kamen zu seiner Beerdigung. In Ärzteblättern in Wien und Budapest erschienen bloß kurze Stellungnahmen. Und weiterhin starben die Mütter an Kindbettfieber.

Semmelweis’ Arbeit wurde erst im späten 19. Jahrhundert anerkannt. Hätte das weniger lange gedauert, wären viele tausend Frauen gerettet worden.

Mirja Holtrop

Mirja Holtrop

Mirja Holtrop was born and raised in Germany, where she studied Computer Science and Public Relations. After working as a Marketing Assistant for a couple of years she joined the Dr. Rath Health Foundation. In the early 2000s she moved to South Africa where she studied Education at the University of Cape Town. Her first book, ‘The Secret of Cells’, was published in 2004.

Since then, after spending 13 years in South Africa, Mirja has published five more books and moved back to Germany. Today, in addition to writing books, she works on the Dr. Rath Health Foundation’s international Movement of Life project.

Mirja loves organic gardening, cooking, and animals. She lives with her nine-year old son near Düsseldorf in Germany.
Mirja Holtrop wuchs in Aachen auf und studierte Informatik und Public Relations. Nachdem sie einige Jahre als Marketing Assistentin gearbeitet hatte, schloss sie sich der Rath Foundation an und ging nach Südafrika. Dort absolvierte sie an der Universität von Kapstadt ein Pädagogikstudium und publizierte 2004 ihr erstes Buch, “Das Geheimnis der Zellen.”

Nach 13 Jahren Südafrika und fünf weiteren publizierten Büchern - die sich alle mit dem Thema Gesundheit für Kinder und Jugendliche befassen – kehrte sie nach Deutschland zurück. Sie arbeitet immer noch für die Rath Foundation und engagiert sich für „Movement of Life“, deren Tochterorganisation.

Sie lebt mit ihrem 9-Jährigen Sohn nahe Düsseldorf, züchtet Biogemüse und setzt sich für den Tierschutz ein.
Mirja Holtrop
Mirja Holtrop
Mirja Holtrop was born and raised in Germany, where she studied Computer Science and Public Relations. After working as a Marketing Assistant for a couple of years she joined the Dr. Rath Health Foundation. In the early 2000s she moved to South Africa where she studied Education at the University of Cape Town. Her first book, ‘The Secret of Cells’, was published in 2004.

Since then, after spending 13 years in South Africa, Mirja has published five more books and moved back to Germany. Today, in addition to writing books, she works on the Dr. Rath Health Foundation’s international Movement of Life project.

Mirja loves organic gardening, cooking, and animals. She lives with her nine-year old son near Düsseldorf in Germany.
Mirja Holtrop wuchs in Aachen auf und studierte Informatik und Public Relations. Nachdem sie einige Jahre als Marketing Assistentin gearbeitet hatte, schloss sie sich der Rath Foundation an und ging nach Südafrika. Dort absolvierte sie an der Universität von Kapstadt ein Pädagogikstudium und publizierte 2004 ihr erstes Buch, “Das Geheimnis der Zellen.”

Nach 13 Jahren Südafrika und fünf weiteren publizierten Büchern - die sich alle mit dem Thema Gesundheit für Kinder und Jugendliche befassen – kehrte sie nach Deutschland zurück. Sie arbeitet immer noch für die Rath Foundation und engagiert sich für „Movement of Life“, deren Tochterorganisation.

Sie lebt mit ihrem 9-Jährigen Sohn nahe Düsseldorf, züchtet Biogemüse und setzt sich für den Tierschutz ein.