Professor Edzard Ernst, ein aus Deutschland stammender Mediziner und Hochschuldozent im Ruhestand, tat sich als Fürsprecher von Plänen hervor, die dem gesamten Berufsstand der Heilpraktiker in Deutschland ein Verbot auferlegen könnten. Indem er die abwegige Idee verbreitet, naturheilkundliche Medizin bedeute eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, greift Ernst deren Anwender mit dem Vorwurf an, sie hätten angeblich „Unsinn“ erlernt. Vielsagend ist hingegen die Tatsache, dass er selbst anscheinend nicht einmal über eine einzige vollständige Originalveröffentlichung einer wissenschaftlichen Studie hinauskommt. Seine offensichtlichen Versuche, naturheilkundliche Ansätze in Verruf zu bringen, beruhen also weniger auf eigener Analyse, sondern vielmehr auf handverlesener Auswahl von negativen Studien anderer.
Ernst, der sich zuvor als Großbritanniens „einziger Professor für Komplementärmedizin“ aufspielte, wurde im Prinzip seines Postens an der Universität Exeter im Jahr 2011 enthoben, nachdem er Prinz Charles wegen dessen Unterstützung für natürliche Formen der Medizin öffentlich attackiert hatte. Verbittert wegen dieses Vorfalls, bezeichnete Ernst die Sichtweise des Thronnachfolgers zu alternativen Gesundheitsansätzen als „Quacksalberei“ und verhöhnte ihn in aller Öffentlichkeit als „Meister der Anti-Wissenschaft“. Wie sich allerdings zeigt, sind Ernsts Ansichten kaum bloße Kritik.
Ernst ist sich nicht zu dumm, aus der Mottenkiste die längst widerlegte Behauptung zu bemühen, dass die Einnahme ergänzender Vitamine nur für teuren Urin sorgen würde. In den entwickelten Ländern könne die große Mehrheit der Bevölkerung ihren Mikronährstoffbedarf zur Genüge über die tägliche Ernährung decken, erklärt er. Mit seiner Unterstellung, Amerikaner würden Milliarden Dollar für Nahrungsergänzungsmittel verschwenden, erscheint er als Vertreter der drakonischen Position, dass natürliche Gesundheitsprodukte „keinen Platz im Apothekenwesen haben sollen“.
Vor über 20 Jahren widerlegte der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling die Behauptung, die Einnahme von Vitamin C würde zu „teurem Urin“ führen.
Doch für jemanden, der für sich in Anspruch nimmt, ein Mann der Wissenschaft zu sein und ein Experte der Alternativmedizin, mutet es durchaus etwas seltsam an, dass sich Ernst offen mit sogenannten „skeptischen“ Organisationen identifiziert, welche Naturheilverfahren herabwürdigen. Als Redner regelmäßig auf skeptisch-orientierten Konferenzen präsent, scheint Ernst völlig die Tatsache übersehen zu haben, dass bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen ausnahmslos von Menschen gemacht werden, die mit wachem Verstand ihre Theorien überprüfen, indem sie eigens Experimente dazu durchführen. Angesichts seiner wiederholten Teilnahme an Skeptiker-Treffen, die dahin tendieren, von Vertretern der althergebrachten Wissenschaft besucht zu werden, die glauben, pharma-basierte Ansätze seien schon irgendwie durch Belege gestützt, ist es kaum vermeidbar, den Schluss zu ziehen, dass Ernsts Geisteshaltung in den Denkblockaden der konventionellen Medizin feststeckt und er im Grunde genommen davon ausgeht, die Bewahrung von Millionen Menschenleben hänge letztlich von einer Intensivierung der Arzneimittelforschung ab.
Mitunter wird gesagt, man könne den Charakter von jemandem danach beurteilen, mit welchen Leuten er Umgang pflege. Trifft dies zu, so spricht wohl die Entgegennahme eines Preises Bände, mit dem Ernst im Jahr 2015 durch die sogenannte ‚Sense About Science’ Organisation bedacht wurde. Die Preisstifter beschreiben sich selbst als „eine unabhängige Wohltätigkeitseinrichtung, die Falschdarstellungen von Wissenschaft und ihren Nachweisen im öffentlichen Leben angreift“. Im Laufe der Jahre erhielt ‚Sense About Science’ (dt. etwa: ‚Wahrnehmung von Wissenschaft’) finanzielle Zuwendungen von so illustren Gebern wie AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Pfizer, der Pharmazeutischen Gesellschaft des Vereinigten Königreichs und anderen. Wenig überraschend ist daher die Weltanschauung von Sense About Science – ähnlich wie bei Ernst selbst – weit davon entfernt, zum kritischen Denken zu ermutigen, sondern sie ist ganz entschieden dem Mainstream verhaftet. Das zeigt auch deren Veröffentlichung aus dem Jahr 2013 über Nebenwirkungen von Medikamenten. Den Bericht durchzieht die Einstellung, man habe es schlichtweg zu akzeptieren, dass Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen aufweisen. Plädiert wird lediglich dafür, eine Abwägung zu treffen zwischen den Gefahren von Medikamenten und ihrem (angeblichen) Nutzen. Eine etwaige Suche nach Alternativen zu den risikobehafteten, pharma-basierten Ansätzen wird von vornherein ausgeklammert.
Eine genauere Sichtung von Ernsts Artikeln macht auch sein Verständnis der Pharmaindustrie deutlich. Entweder ist er höchst naiv oder unterliegt einer massiven Selbsttäuschung. Besonders aufschlussreich ist sein Artikel auf der Spectator Health Webseite vom Dezember 2016. Darin behauptet er, „eine natürliche Alternative zur konventionellen Medizin ist eine Illusion“, und versteigt sich gar zu der These: „Würden die in Frage stehenden Behandlungen wirksam sein, wären sie Teil der Schulmedizin und somit aufhören, Alternativen zu sein.“ Diese geradezu kindisch simplifizierte Interpretation verkennt völlig die Tatsache, dass natürlich vorkommende Moleküle, wie Vitamine, nicht patentierbar sind. Das bedeutet, es besteht überhaupt kein finanzieller Anreiz für Pharmaunternehmen, solche Alternativansätze voranzutreiben, mit der Aussicht darauf, ihr Multimilliarden Dollar Geschäft mit patentierten synthetischen Medikamenten zu verlieren. Denn über die Nicht-Patentierbarkeit natürlich vorkommender Moleküle hinaus, stehen diese Verbindungen aus der Natur einem derartig orientierten Gesundheitswesen auch fortwährend zur Verfügung und stellen mithin eine immense Bedrohung für die Pharmaindustrie dar, deren Jahresumsatz mehr als eine Billion Dollar beträgt.
Derweil Ernst versucht, solche Fakten als „Verschwörungstheorie“ in Abrede zu stellen, bekam Dr. Matthias Rath diese Realität unmittelbar zu spüren. Dies dokumentiert folgender Auszug aus dem 2003 erschienenen Buch „Warum kennen Tiere keinen Herzinfarkt …aber wir Menschen“:
Am 2. Juni 1990 schickte ich die Zusammenfassung der Entdeckung, dass Herzinfarkt und Schlaganfall ähnlich wie die Seefahrerkrankheit Skorbut das Ergebnis von Langzeit-Vitamin-C-Mangel ist, an den Leiter der weltweiten Forschungsabteilung der Firma Hoffmann-La Roche, Prof. Jürgen Drews. Dies geschah nicht ohne Grund: Hoffmann-La Roche war damals der weltgrößte Hersteller des Vitamin-C-Rohstoffs Askorbinsäure. |
Um möglichst umfassende Informationen zu bekommen, unterschrieb die Geschäftsführung von Hoffmann-La Roche sogar ein „Geheimhalteabkommen“ mit mir und lud mich ein, meine Entdeckungen im Hauptquartier ihrer Firma in Basel vorzustellen. Dass Hoffmann-La Roche gar kein Interesse daran hatte, diese Forschung zu nutzen und weltweit mitzuhelfen, die Herz-Kreislauf-Erkrankung auszumerzen, erkannte ich erst viel später. Als Antwort auf meinen Vortrag schrieb die Roche-Konzernzentrale mir, dass sie den wissenschaftlichen Durchbruch zwar anerkennen würden, aber keine Möglichkeit der Zusammenarbeit sähen, da sie selbst Cholesterinsenker und andere Pharma-Präparate in der „Produktpipeline“ hätten. |
Der gesundheitliche Nutzen von Mikronährstoffen ist durch buchstäblich zehntausende Studien belegt. Dennoch versucht Ernst in seiner Unterstützung der Pläne, welche die Heilpraktiker in Deutschland zu Fall bringen könnten, anscheinend den Eindruck erwecken zu wollen, diese Nachweise würden gar nicht existieren. Dies wirkt umso lächerlicher, da es im Internet-Zeitalter ein Leichtes ist, diese wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu finden: Jeder kann sie über frei zugängliche medizinische Datenbanken wie PubMed lesen und die darin beschriebenen Erkenntnisse für sich selbst in die Praxis umsetzen. Unter den zahlreichen Publikationen wird man unter anderem eine Auswertung von 18 klinischen Studien finden mit insgesamt 240000 Teilnehmern, die dokumentiert, dass hohe Gehalte von Vitamin C im Blut zu einer 38%igen Reduzierung des Schlaganfallrisikos führten. Ebenso einfach lässt sich die Wirksamkeit von Vitamin C gegen Krebs nachlesen, besonders wenn es intravenös verabreicht wird.
Ob Ernst diesen oder anderen Studien irgendwelche Aufmerksamkeit widmet, ist natürlich seine Sache. Er sollte jedoch begreifen, dass jeglicher Versuch, die Menschen vom Zugang zu natürlichen Gesundheitsansätzen abzuschneiden, juristische Konsequenzen nach sich ziehen kann und wird. Menschen, denen solche Einschränkungen in ihrer Therapiefreiheit auferlegt werden, werden letzten Endes unweigerlich verlangen, dass die dafür Verantwortlichen für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn diese Zeit kommt, ist es für Edzard Ernst sicherlich wenig ratsam, seine bislang dokumentierten Aussagen als Großbritanniens „einziger Professor für Komplementärmedizin“ verteidigen zu wollen.