Überraschend nahm der Versandhandelsgigant Amazon Verbindung auf mit der Bankengruppe JPMorgan Chase und dem multinationalen Firmenkonglomerat Berkshire Hathaway, um ein neues Gesundheitsunternehmen für ihre US-Angestellten zu bilden. In einer gemeinsamen Pressemitteilung äußern sie das Bestreben, die Zufriedenheit ihrer Beschäftigten verbessern zu wollen und die Kosten zu reduzieren. Man wolle „dieses Ziel verfolgen durch ein unabhängiges Unternehmen, das frei von den Anreizen und Zwängen des Profit ist“. Doch während sie der Hoffnung Ausdruck geben, einen „frischen Ansatz“ der Gesundheitsversorgung zu ergreifen, ist es viel wahrscheinlicher, dass Angestellte, die über diesen neuen Unternehmenszweig den Zugang zu nährstoffbezogenen Gesundheitsansätzen und zur Zellular Medizin suchen, enttäuscht sein werden.
Einem zufälligen Beobachter könnte es so vorkommen, als hätten die drei Unternehmens-Chefs den Nagel auf den Kopf getroffen, was zumindest einige der Probleme im amerikanischen Gesundheitssystem angeht. Warren Buffett beispielsweise, Vorstand und Geschäftsführer von Berkshire Hathaway, moniert, dass „die sich immer weiter aufblähenden Kosten der Gesundheitsversorgung wie ein hungriger Bandwurm für die amerikanische Wirtschaft sind“. Immerhin hält Buffett als drittreichste Person der Welt, mit einem Vermögen von derzeit 92 Milliarden Dollar, in seinem riesigen Portfolio selbst beträchtliche Anteile an dieser Wirtschaft. Zweifellos würde er noch mehr davon profitieren, wenn die unternehmensweiten Gesundheitsausgaben zurückgeschraubt würden.
Im Eindämmen von Kosten, um die Erlöse zu steigern, ist Jeff Bezos, der Gründer und Geschäftsführer von Amazon, ein Experte. Das Vermögen des gegenwärtig reichsten Mannes beläuft sich auf 120 Milliarden Dollar. Im Gegensatz dazu sorgten im vergangenen Jahr Berichte für Aufsehen, dass Mitarbeiter in einem seiner Spitzen-Warenhäuser in Großbritannien mit weniger Geld in der Tasche nach Hause gehen als der karge Mindestlohn. Allerdings war dies durchaus nicht das erste Mal, dass Bezos beschuldigt wurde, seine Beschäftigten zu gering zu bezahlen. Im Jahr 2016 wurde Amazon vorgeworfen, „inakzeptable Arbeitsbedingungen“ zu schaffen, nachdem Behauptungen laut wurden, schottische Mitarbeiter seien aufgrund von Krankheitstagen bestraft worden. Angestellten in der verzweifelten Lage, ihre Ausgaben für den täglichen Pendelverkehr zur Arbeit einsparen zu müssen, wurde nachgesagt, auf einem Campingplatz in der Nähe des Warenhauses zu übernachten. Ähnliche Vorwürfe von sittenwidriger Entlohnung begegnen Amazon in Deutschland und Italien, wo Beschäftigte den Ausweg in Streiks suchen, um ihren Forderungen nach gerechter Bezahlung höhere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wenn also Bezos in der gemeinsamen Pressemitteilung über die „Reduzierung von wirtschaftlichen Belastungen infolge des Gesundheitssystems“ spricht, im angeblichen Ansinnen, den „Beschäftigten und ihren Familien mehr Netto“ zu ermöglichen, so ist den Angestellten bei Amazon ihre Skepsis kaum zu verdenken.
Jamie Dimon, Vorstand und Geschäftsführer von JPMorgan Chase, erklärt, seine Angestellten wollten „in Sachen Gesundheitsversorgung Transparenz, Kenntnis und Kontrolle“. Aber während er stolz mit den „außerordentlichen Ressourcen“ prahlt, die er, Buffett und Bezos freizusetzen gewillt sind, verliert er erwartungsgemäß kein Wort über den Vergleich in Höhe von 264 Millionen Dollar, den JPMorgan Chase im Jahr 2016 mit amerikanischen Bundesanwälten und Aufsichtsbehörden erreichte hinsichtlich des gewaltigen Bestechungsskandals der Bank in China. Ebensowenig Aufhebens über den 875-Millionen-Dollar-Prozess, der jüngst gegen die Bank von Seiten der nigerianischen Regierung angestrengt wurde. Bei dieser Klage geht es um Transaktionsgeschäfte, welche die Bank einem vormaligen, korrupten Minister eingeräumt hatte. Ein Imageverlust, der dem Geldhaus nicht neu ist. Von vielen wird JPMorgan Chase bereits als Amerikas korrupteste Bank angesehen. Wer will es da den Beschäftigten übelnehmen, wenn sie sich von den von Dimon anvisierten Plänen einer firmeneigenen Gesundheitsversorgung ein höheres Maß an Transparenz, Kenntnis und Kontrolle erwarten, als bei den vorgenannten Fällen?
Angeführt wird die Bildung des neuen Gesundheitsunternehmens übrigens gemeinsam von Marvelle Sullivan Berchtold, einem Betriebsdirektor von JPMorgan Chase, der zuvor eine leitende Funktion bei dem Pharmagiganten Novartis inne hatte und einen Vorstandsposten bei dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline bekleidete; von dem früheren Hedge-Fonds-Mangager Todd Combs, einem Investment-Banker von Berkshire Hathaway, der ebenfalls Direktor bei JPMorgan Chase ist; und von Beth Galetti, einer leitenden Vizepräsidentin bei Amazon. Angesichts dieser Hintergründe können Sie getrost Ihren Notgroschen darauf verwetten, dass bei dem von den drei Firmen geplanten Gesundheitsunternehmen Medikamente und die herkömmliche Schulmedizin eine zentrale Rolle spielen werden.