Zwei Jahre nachdem der Pharmakonzern Bayer erstmals seine Bestrebungen bekundete, Monsanto, den amerikanischen Pestizid-Giganten und Hersteller von genmanipuliertem Saatgut, zu erwerben, haben nun europäische Aufsichtsbehörden ihre Einwilligung zu diesem Deal erteilt. Der Preis für die Übernahme wird mit 62,5 Milliarden US$ veranschlagt. Beide Unternehmen vereint würden mehr als ein Viertel des globalen Marktes für Saatgut und Pestizide kontrollieren. Um vorgeblich den Wettbewerb zu bewahren, ist die Genehmigung an die Bedingung geknüpft, dass Bayer Geschäftsanteile veräußert. Allerdings wird dieser Schritt von Beobachtern kaum weniger kontrovers gesehen, denn das einstige Mitglied des berüchtigten IG Farben-Kartells, hat als Käufer keinen geringeren ins Auge gefasst als seinen damaligen IG Farben-Partner, den Chemie-Konzern BASF.
Dass die Verbindung von Bayer mit Monsanto von einem breiten Bündnis aus Gesundheitsaktivisten, Landwirtschaftsgruppen, Umweltschützern und großen Teilen der Öffentlichkeit scharf kritisiert wird, überrascht nicht. Alle eint die Befürchtung, es werde damit ein monströses Konglomerat geschaffen, das mit genmanipulierten Organismen und Pestiziden die globale Nahrungsmittelversorgung beherrschen werde. Gerade in einer Zeit, da zugleich die Aufmerksamkeit für gesunde, vitaminreiche Lebensmittel natürlichen Ursprungs, lokaler Herkunft und aus einem umweltverträglichen Anbau wächst, brauchte es nicht lange, diesen Deal als „eine in der Hölle geschlossene Ehe“ zu verurteilen. Die europäischen Aufsichtsbehörden indes ließ die Empörung von über einer Million Petitionsunterstützer kalt, welche sich gegen diese Übernahme wandten. Sie gab der Unternehmensverbindung grünes Licht und bestätigt damit einmal mehr, dass ihr die großen Wirtschaftsinteressen weit wichtiger sind als die Gesundheit und das Leben von Millionen europäischer Bürgerinnen und Bürger.
IG Farben-Manager und -Führungskräfte auf der Anklagebank am ersten Tag der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, am 17. September 1947.
Im Juli 2007 stellte unsere Stiftung der Öffentlichkeit historische Aufzeichnungen zur Verfügung, nachdem sie zuvor verborgen in internationalen Archiven über sechs Jahrzehnte lang Staub angesammelt hatten. Es handelt sich hierbei um Dokumente jener Kriegsverbrechertribunale in Nürnberg zwischen 1947 bis 1948, bei denen über die Verantwortlichkeit für das Zustandekommen des Zweiten Weltkrieges verhandelt wurde. Sie beinhalten zehntausende Schriftstücke, die als gerichtliche Beweismittel herangezogen wurden und belegen, dass der Zweite Weltkrieg vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Welteroberungsphantasien ausgehend vom IG Farben-Kartell geplant und finanziert wurde. Bestehend aus den Einzelkonzernen Bayer, BASF, Hoechst und anderen Unternehmen, waren die IG Farben das seinerzeit größte Pharma- und Chemie-Konglomerat der Welt.
Die treibende Kraft hinter dem Zweiten Weltkrieg waren die rücksichtslosen Ambitionen der IG Farben, die globalen Märkte für Medikamente und andere Erzeugnisse der chemischen Industrie kontrollieren zu wollen und den Wettbewerb zu beseitigen. Um dies zu erreichen, hatte dieses Unternehmensbündnis bewusst den Aufstieg der Nazi-Partei an die Hebel der Macht finanziert. Aus historischer Perspektive bedeuten die Dokumente des Nürnberger Tribunals eine eindrückliche Warnung davor, was geschehen kann, wenn wirtschaftliche Machtgelüste von Konzernen auf engste mit politischen Interessen verflochten werden.
Inzwischen sind über 70 Jahre vergangen, seit die Manager und Betriebsführer der IG Farben in Nürnberg wegen ihrer Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht standen, doch die im Kern zugrunde liegenden Strategien sind bei den unternehmerischen Nachfolgern sowie bei Monsanto erstaunlich ähnlich geblieben. Es geht um die Beherrschung globaler Märkte bei Pharmazeutika, Chemikalien und – neu hinzugekommen – genmanipulierten Organismen. Es geht um die Beseitigung von Wettbewerb. Es geht um politische Einflussnahme unter Zuhilfenahme von Millionenbeträgen und mittels demokratiefeindlicher Kampagnen gegen eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte. All diese Dinge sind von zentraler Bedeutung für die nach wie vor erbarmungslose Jagd nach Profit.
Noch bedarf die Bayer-Übernahme von Monsanto einer Genehmigung seitens der USA und Russland. Und so können wir nur hoffen, dass deren Aufsichtsbehörden ihre Verantwortung gegenüber den Gesundheitsinteressen der Menschen besser gerecht werden. Doch wie auch immer diese Entscheidungen ausgehen mögen, eines ist sicher. Je länger Behörden und Politiker fortfahren, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Dreck zu treten, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Stimmen jener Benachteiligten nur umso lauter nach Veränderung rufen. Angesichts solcher Umstände lehrt uns die Geschichte deutlich, dass selbst die größten Goliaths auf diese oder jene Weise zu Fall gebracht werden können.