Fast 70 verschiedene pharmazeutische Wirkstoffe hat eine neue Studie identifiziert in Insekten und Spinnen, die entlang von Flüssen im Bereich der australischen Stadt Melbourne leben. Im Kommentar zu ihren Ergebnissen drücken die Forscher ihre Sorge aus, dass Forellen und andere Raubtiere, die sich von diesen Gliederfüßern ernähren, auf diese Weise täglich dem Einfluss von Arzneimitteln ausgesetzt sind, zum Beispiel verschreibungspflichtigen Antidepressiva, deren Konzentration rund halb so hoch ist wie die für den Menschen vorgesehene. Die im Wissenschaftsjournal Nature Communications veröffentlichte Arbeit ist ein weiterer Beleg für die gefährlichen Auswirkungen, die die Pharmaindustrie auf das Nahrungsnetz, unsere Wasserversorgung und die Umwelt insgesamt hat.
Untersucht haben die Forscher Insekten und Spinnen, die ihren Lebensraum in und entlang von sechs Flüssen im Umfeld Melbournes haben. Ihr Augenmerk richteten sie dabei auf 98 pharmazeutische Verbindungen, von denen sie insgesamt 69 vorfanden. Jene konnten 23 unterschiedlichen Arzneimittelklassen zugeordnet werden, darunter Medikamente zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen, Depressionen, Epilepsie, Schmerzen, Infektionen, Diabetes, Magen-Darm-Störungen, hohen Cholesterinwerten, Entzündungen, Parkinson und weiteren Gesundheitsproblemen. Die Autoren betonen die Notwendigkeit, die Risiken zu verstehen, die von diesen Substanzen ausgehen, da ihnen Tiere ständig ausgesetzt sind, welche an der Basis der Nahrungskette stehen. Betroffen sei damit letztlich auch der Mensch, der sich von den Fischen ernährt. Die Studie ist die erste ihrer Art, die das enorme Ausmaß verdeutlicht, das Medikamente auf das Nahrungsnetz ausüben.
Medikamentenrückstände sind beileibe kein auf Australien beschränktes Problem. Belege dafür sind weltweit zu finden. Rund um den Globus haben Pharmaunternehmen seit Jahrzehnten die Umwelt durch ihre Produkte verunreinigt. Vielerorts zeigt sich dies darin, dass sogar das Trinkwasser mit meßbaren Mengen gefährlicher Stoffe aus der Arzneimittelherstellung kontaminiert ist. Gesundheitsbehörden geben es zwar nur ungern zu, doch herkömmliche Klär- und Wasseraufbereitungsanlagen wurden niemals darauf ausgelegt, mit den giftigen Substanzen der Pharmaindustrie umzugehen.
Ein Teil der Medikamentenrückstände im Trinkwasser rührt daher, dass Menschen ihre nicht gebrauchten Arzneimittel einfach in die Toilette geben, anstatt sie ordentlich zu entsorgen. Ein anderer Teil landet ebenfalls im Abwassersystem, nachdem die Substanzen im Körper von Patienten nur unzureichend verstoffwechselt wurden. Riesige Mengen pharmazeutischer Verbindungen gelangen aber auch deswegen in die Trinkwasserversorgung, weil sie legal freigesetzt wurden.
In den USA deuten Tests darauf hin, dass mindestens 51 Millionen Menschen Trinkwasser zu sich nehmen, das mit Pharmaverunreinigungen belastet ist. Die aktuellen Zahlen mögen sicherlich weit höher liegen. Unlängst bestätigte eine Studie, dass ins amerikanische Trinkwasser hohe Arzneimittelkonzentrationen über Wasseraufbereitungsanlagen gelangen, in deren Einzugsbereich Pharmafirmen liegen. Während die Langzeitfolgen dieser Rückstände bislang nur annähernd erfasst sind, haben Forschungsergebnisse bereits gezeigt, dass Arzneimittelgemische das endokrine System von Fischen stören. Es kommt zu Verweiblichung, zu Änderungen im Verhalten und in der Fortpflanzung, zu Wachstumsabweichungen und zu Vergrößerungen der Leber.
Auf der anderen Seite des Atlantik wiesen Wissenschaftler aus Großbritannien erhebliche Mengen von Krebsmedikamenten und von Psychopharmaka im Trinkwasser nach. Sie warnen vor den Gefahren, denen ein heranwachsender Fötus ausgesetzt ist, wenn er im Mutterleib mit diesen Wirkstoffen in Kontakt kommt. Da die Zellen nachhaltig geschädigt werden können, hätte dies Folgen für die gesamte Entwicklung. Eine vor einigen Monaten erschiene Studie stieß in britischen Flüssen auf 29 Arzneimitteltypen, darunter Antidepressiva, Antibiotika und Antiepileptika.
Wasseranalysen aus Indien fanden 21 verschiedene aktive Pharmawirkstoffe, mit Konzentrationen, die 150mal höher lagen als die höchsten in den USA entdeckten Werte.
Klar ist also, dass das Billionen Dollar schwere Pharmageschäft mit der Krankheit nicht nur aus ökonomischer Sicht untragbar ist, sondern auch aus ökologischer. All dies unterstreicht ein weiteres Mal die Erforderlichkeit, das pharmaorientierte Krankensystem durch eine echte Gesundheitsversorgung, die auf Prävention beruht, zu ersetzen. Grundlage dieser Medizin sind – anders als heute – sichere, nicht-toxische, wissenschaftlich begründete Naturheilverfahren. Verschmutzungen der Umwelt durch Arzneimittel werden immer stärker zu einer gesundheitlichen Bedrohung. Sie sollten daher dringend von regionalen, nationalen und globalen Gesundheitsbehörden angegangen werden.