Eine US-Anwaltskanzlei hat geheime Dokumente veröffentlicht, die auf verstörende Weise belegen, wie Monsanto versuchte, die Öffentlichkeit zu manipulieren: mit Hilfe von Auftragsschreibern, mit arrangierten Attacken auf die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC), durch das Unterschlagen wissenschaftlicher Daten, durch geheime Absprachen mit staatlichen Aufsichtsbehörden und durch weitere unternehmerische Verfehlungen. Anscheinend ging es dem Agro-Chemie- und Biotech-Konzern bei seinen Machenschaften darum, die schwerwiegenden Gesundheitsgefahren seines Pflanzenvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat vor der besorgten Öffentlichkeit zu verbergen. Derzeit wird Monsantos neuer Besitzer Bayer in mehr als 18400 Anklagen zur juristischen Verantwortung gezogen und musste bereits drei wegweisenden Urteile einstecken. Angestrengt wurden die Gerichtsverfahren von Krebs-Patienten, deren Erkrankung mutmaßlich auf die Verwendung von Roundup zurückzuführen ist. Die jetzige Veröffentlichung der Dokumente wird den Druck auf das Unternehmen zweifellos noch mehr erhöhen.
Die Anwaltskanzlei Baum, Hedlund, Aristei & Goldman machte die Dokumente kürzlich online zugänglich, und zwar als Teil einer größeren Sammlung, die als ›Die Monsanto-Papiere‹ bekannt ist. Diese beinhaltet Monsanto-interne E-Mails, Textnachrichten, Unternehmensberichte, Studien und andere bedeutsame Schriften. Die Unterlagen liefern vernichtende Belege über das Ausmaß, in dem Monsanto offenbar anstrebte, Behörden und Öffentlichkeit hinsichtlich der Risiken von Roundup in die Irre zu führen.
Aus den Monsanto Papieren wird deutlich, dass der Konzern sich Ghostwritern bediente, um Auftragsarbeiten anfertigen zu lassen, welche den Zulassungsbehörden über Jahre als Grundlage dienten. Diese Praxis, Artikel von bezahlten Autoren verfassen zu lassen, die mit ihrem Namen im Hintergrund bleiben, ist tatsächlich nichts, was für Monsanto spezifisch wäre, sondern Ghostwriting ist gerade auch im Bereich der Pharmaindustrie weitverbreitet. Die von der Anwaltskanzlei zutage geförderten Dokumente beweisen, dass Monsanto auf diese Weise Berichte für Wissenschaftsjournale erstellen ließ, die die Sicherheit seiner Roundup-Produkte vortäuschten.
Außerdem beinhalten die Monsanto-Papiere Briefe des Unternehmens an Mitglieder des US-Kongresses mit dem Bestreben, die Regierung dazu bringen, der Internationalen Krebsforschungsagentur die Mittel zu entziehen. Die IARC ist Teil der Weltgesundheitsorganisation und brachte 2015 einen Bericht heraus, in dem Glyphosat, der Wirkstoff von Roundup, als „für Menschen wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wird. Diese Bewertung wurde später zu einem wesentlichen Argument in den Rechtsstreitigkeiten von Krebs-Patienten mit Monsanto.
Die Gefahren seines Herbizids für die Gesundheit von Menschen waren dem Roundup-Hersteller alles andere als unbekannt. Denn wie aus den Dokumenten hervorgeht, hielt das Unternehmen die Erkenntnisse seiner eigenen Berater geheim, trotz ihrer Bedenken, die Substanz könne Schäden an der DNA verursachen. Zurückgehalten wurden auch Daten, die zeigen, dass Roundup in einem größeren Ausmaß die Haut durchdringen kann, als zuvor den Behörden bekanntgegeben.
Die Papiere enthalten auch Beweise für die Bemühungen Monsantos, die Mainstream-Medien dahingehend zu beeinflussen, vorteilhaft über Roundup zu berichten. So war das Unternehmen an zahlreichen Artikeln beteiligt, die von Kate Kelland geschrieben wurden, einer Mitarbeiterin der Nachrichtenagentur Reuters. Beispielsweise leitete Kelland den Entwurf eines Artikels zunächst an Monsanto weiter, bevor er bei Reuters erschien. In einem anderen Fall wiederholte sie in ihrem Artikel lediglich die Standpunkte, die sie von Sam Murphey, einem Monsanto-Manager, erhalten hatte. Kellands Texte halfen dabei, die Idee zu befördern, die IARC habe anscheinend Daten ignoriert, die – wären sie berücksichtigt worden – die Bewertung von Glyphosat anders hätten ausfallen lassen.
Die Monsanto-Papiere zeigen auch, dass die Firma mit Behördenmitarbeitern unter einer Decke steckte. In einer E-Mail gibt die Monsanto-Toxikologin Donna Farmer zu, das Unternehmen arbeite im Hintergrund daran, Aussagen über Glyphosat auf staatlichen Webseiten abzuändern. Andere Dokumente belegen den Einfluss Monsantos auf Beamte der US-Umweltschutzagentur.
Monsanto war zudem darauf aus, seine Kritiker gezielt zu verunglimpfen. Einer der davon Betroffenen war der französische Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini. Im September 2012 hatte Séralini im Fachjournal Food and Chemical Toxikology eine Studie publiziert, die zeigte, dass Ratten, die mit genetisch manipuliertem, Glyphosat-resistentem Mais gefüttert wurden, ein verstärktes Auftreten von Tumoren hatten. Monsanto reagierte darauf mit dem Aushecken eines Plans, um Séralini in Verruf zu bringen. Unter dem wachsenden Druck zog das Journal die Studie im November 2013 schließlich wieder zurück und gab vor, Séralinis Erkenntnisse seien nicht verlässlich. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Wallace Hayes, der Chefredakteur der Zeitschrift, vormals in einer vertraglichen Beziehungen zu Monsanto stand. Auch dies geht aus den Dokumenten hervor, die von der amerikanischen Kanzlei aufgedeckt wurden.
Wie die Monsanto-Papiere veranschaulichen, schlagen die Kosten in Höhe von 63 Milliarden Dollar, die Bayer für die Übernahme des Agrochemie- und Biotech-Konzerns im Jahr 2018 zahlte, in mehrfacher Hinsicht empfindlich zu Buche. Der Börsenkurs ist seither ordentlich in den Keller gegangen und selbst das Wall Street Journal beurteilt den Monsanto-Deal von Bayer als eines der schlimmsten Geschäfte der jüngeren Vergangenheit. Bayers Zukunft ist daher klar bedroht.
Es ist keineswegs ausgemacht, wie diese Situation letztlich ausgehen wird, doch eines ist schon jetzt sehr deutlich: Jegliche weiteren Enthüllungen über Monsantos Fehlverhalten könnten Bayers Absturz ein für allemal besiegeln. Solange die mehr als 18400 juristischen Verfahren um die Krebs-Gefahren von Roundup noch anhängig sind, werden die Vorstandsmitglieder des Bayer-Konzerns wie auch dessen Anleger also noch manch unruhigen Schlaf vor sich haben.