Das Kartell existierte bereits, bevor sie den Vertrag unterzeichneten und es 1925 offiziell machten. Carl Duisberg von Bayer und Carl Bosch von BASF waren schon vor der gemeinsamen Gründung der IG FARBEN führende Köpfe des deutschen Chemiekartells. Um den deutschen Eroberungsfeldzug in Europa zu unterstützen, hatte Carl Duisberg während des Ersten Weltkrieges auf einen großflächigen Einsatz von Giftgas gedrängt. Carl Bosch wirkte an der Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens mit und sorgte dafür, dass die deutschen Truppen im gemeinsamen Streben nach Vorherrschaft über genügend Sprengstoff verfügten.
Informell arbeiteten die deutschen Chemiegiganten zusammen. In diesen frühen Jahren wurden vertraute Muster des Marktverhaltens etabliert und im Laufe des 20. Jahrhunderts ausgeformt. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätte IG FARBEN als Unternehmen nominell aufgehört zu existieren. Doch ihre Tochterunternehmen – Bayer, BASF und Hoechst – wurden von denselben Personen geführt, die der IG FARBEN vorstanden. Unter ihrer Ägide gestalteten sie gemeinsam einen neuen deutschen Staat, und sie arbeiteten informell weiter zusammen, so wie sie es auch vor der Bildung jenes Riesenkonzerns getan hatten.
Colonel Bernard Bernstein erstellte seinen Bericht kurz nach dem Krieg. Er wurde 1945 offiziell von der amerikanischen Regierung veröffentlicht.
Bayer
Der Bayer-Vorstandsvorsitzende Carl Duisberg war die treibende Kraft hinter der IG-Farben-Verschmelzung und blieb bis zu seinem Tod der einflussreichste Manager.
BASF
Der Nobelpreisträger Carl Bosch brachte BASF in die IG Farben ein. Wie Bayer und Hoechst hält die BASF 27,4 Prozent der IG-Farben-Anteile.
Hoechst
Hoechst war das dritte Großunternehmen, das sich an der IG Farben beteiligte, obwohl es den Zusammenschluss mit BASF und Bayer zunächst ablehnte
Die Entscheidung, alle deutschen Chemieunternehmen zu einem riesigen Konzern zu verschmelzen, war aus Gier und Neid geboren worden. Bei einem Besuch in Amerika in den frühen 1910er Jahren war Carl Duisberg beeindruckt gewesen von dem, was er bei Rockefellers Standard Oil gesehen hatte. Er erkannte eine Möglichkeit, Geld zu drucken und die Welt zu erobern mit der unübertroffenen Stärke Deutschlands im Bereich der Chemie. Konzernverträge sorgten dafür, dass Rockefellers Öl-Trust und der deutsche Chemie-Trust global wachsen konnten, ohne jeweils das Territorium des anderen zu betreten.
Nur eine Sache bedrohte die Gewinne der IG FARBEN: das erste deutsche Demokratieexperiment. Die vermeintlich friedliche Weimarer Republik hatte keine Ambitionen auf Weltherrschaft. Der mächtige IG FARBEN-Vorstand nutzte die politische Unruhe in Deutschland nach Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und wurde zum größten Geldgeber der offen demokratiefeindlichen Nazi-Partei von Adolf Hitler. Ihre Investitionen zahlten sich aus, als Hitler mithilfe der IG FARBEN an die Macht gelangte. Der Zweite Weltkrieg wäre ohne die IG FARBEN nicht möglich gewesen.
Diese Website kann nur einen Ausschnitt des Terrors darstellen, den die IG Farben während ihres Bestehens ausübte. Mehr finden Sie in Richard Sasulys Buch von 1947.
Carl Duisberg
1861-1935
Carl Duisberg war einer der wichtigsten Industrieführer in Deutschland. Im Jahr 1931 hielt er zwei bemerkenswerte Reden, die alles vorwegnahmen, was in den folgenden Jahren kommen sollte. Nachfolgend sind die wichtigsten Teile herausgegriffen. Die gesamten Reden dokumentieren wir hier im Original.
»Fortwährend ruft das deutsche Volk nach einem Führer, der es aus seiner unerträglichen Lage befreit. Kommt nun ein Mann, der bewiesen hat, daß er keine Hemmungen hat, und der gesonnen ist, den Geist der Frontgeneration* in friedlicher Befreiungsarbeit einzusetzen und zu verwirklichen, so muß diesem Mann auch unbedingt Folge geleistet werden.«
* die Generation, die im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hat
Carl Duisberg in Düsseldorf am 23. Juni 1931
»Erst ein geschlossener Wirtschaftsblock von Bordeaux bis Sofia wird Europa das wirtschaftliche Rückgrat geben, dessen es zur Behauptung seiner Bedeutung in der Welt bedarf.«
Carl Duisberg in München am 24. März 1931
Lassen Sie uns klarstellen: Die IG FARBEN wurde nie gezwungen, mit dem Nazi-Regime zusammenzuarbeiten. Sie arbeiteten bereits an Plänen für die deutsche Weltherrschaft durch chemische und pharmazeutische Produkte, bevor sie sich Hitlers Bewegung bedienten. Ihre Interessen deckten sich schlichtweg. Carl Duisberg förderte die Idee eines Führers schon zwei Jahre vor Hitlers Machtergreifung. IG FARBEN-Direktoren leiteten das Büro für den Vier-Jahres-Plan, der die Kriegsmaschinerie für Nazi-Deutschland ankurbelte – und der der IG FARBEN immense Gewinne einbrachte.
Eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen Staat und Industrie bestand derweil in ›Berlin NW7‹, in den Berliner Büros von IG FARBEN. ›Berlin NW7‹ kümmerte sich nicht nur um die Firmenpatente, sondern koordinierte auch die Büros rund um den Globus, hielt Kontakt zu Politikern und erstellte die Wunschliste jener Firmen, welche IG FARBEN zu übernehmen gedachte, sobald die deutsche Armee in ein neues Land einmarschierte. ›Berlin NW7‹ fungierte auch als Geheimdienst für Deutschland, der Ziele für die Bomben ausfindig machte, die mit in IG FARBEN-Fabriken hergestelltem Sprengstoff produziert wurden.
Josiah E. DuBois arbeitete bei der Anklage des Nürnberger Tribunals gegen die IG FARBEN mit und fasste sein Wissen später in diesem Buch zusammen.
IG FARBEN machte sich nicht nur der Ausplünderung schuldig. Während des Krieges bestand ein Großteil der Arbeitskräfte des Riesenkonzerns aus Sklavenarbeitern und KZ-Häftlingen. Als die Nazis nur wenige Wochen nach ihrer Machtübernahme 1933 in Dachau ihr erstes Konzentrationslager eröffneten, begrüßte IG FARBEN-Ikone Carl Bosch dies sofort. Später produzierte eine IG FARBEN-Firma das Giftgas Zyklon B, das zur Tötung der KZ-Insassen eingesetzt wurde. Aber es war ein anderes Konzentrationslager, welches das ganze Ausmaß der IG FARBEN-Beteiligung zeigte.
Auschwitz war eines der größten Vernichtungslager der Menschheitsgeschichte. Millionen von Menschen wurden in den Gaskammern getötet. Doch das war nicht der einzige Grund für seine Existenz. Direkt neben dem KZ baute IG FARBEN eine riesige Fabrik und nutzte die Häftlinge dort als billige Arbeitskräfte, um Buna, den von der deutschen Armee verwendeten künstlichen Gummi, herzustellen. Führungskräfte der IG FARBEN waren unmittelbar an der Planung des Konzentrationslagers Auschwitz beteiligt und wurden dafür in Nürnberg verurteilt.
Während des Zweiten Weltkriegs war Joseph Borkin Chefökonom in der Kartellbehörde und beschäftigte sich mit dem internationalen Machtgespinst der IG FARBEN.
Das Nürnberger Tribunal gegen 24 Manager der IG FARBEN war historisch. Es war der erste Prozess, der sich gegen Industrieführer eines Privatunternehmens richtete. Während des Tribunals wurde deutlich, dass Hitlers Eroberungskrieg ohne die IG FARBEN nicht möglich gewesen wäre. So wichtig dieses Tribunal auch war, so enttäuschend waren die Konsequenzen, um es gelinde auszudrücken. Zwar wurden die Manager verurteilt, aber – verglichen mit anderen Tribunalen – war das Resultat zu glimpflich. Keiner der Angeklagten würde länger als ein paar Jahre im Gefängnis sitzen.
Anfang der 50er Jahre, als die IG FARBEN in die drei Tochterfirmen BAYER, BASF und HOECHST aufgeteilt wurde, waren alle ehemaligen IG FARBEN-Manager wieder in leitenden Funktionen in ihren Unternehmen tätig und begannen wieder informell zusammenzuarbeiten. Auch ihr System der Kontaktaufnahme zu den höchsten Rängen der deutschen Politik wurde wieder aufgenommen. Eine der prominentesten historischen Figuren war Helmut Kohl, deutscher Bundeskanzler von 1982 bis 1998. Aber er war bei weitem nicht der Einzige, der unter den Einfluss geriet.
Es dauerte mehr als 60 Jahre, bis die authentischen Dokumente des Prozesses gegen die IG FARBEN von der Dr. Rath Health Foundation veröffentlicht wurden.