Es kommt nicht jeden Tag vor, dass eine elitäre Gruppe von mehr als 120 hochrangigen Politikern, Konzernchefs und Vertretern aus der Finanzwelt, der Wissenschaft und den Medien zusammenkommt, um globale Angelegenheiten zu diskutieren. Aber wenn ein solches Treffen auf höchster Ebene stattfindet, sollte man meinen, es fände in den Medien große Beachtung. Bei den Treffen der ultrageheimen Bilderberg-Gruppe ist dies jedoch im Allgemeinen nicht der Fall. Stattdessen vermeidet es die große Mehrheit der Mainstream-Medien einfach, sie zu erwähnen. Das diesjährige Bilderberg-Treffen, das vom 2. bis 5. Juni im luxuriösen Mandarin Oriental Hotel in Washington D.C. stattfand, war keine Ausnahme.
Die 1954 gegründete Bilderberg-Gruppe trifft sich in der Regel einmal im Jahr auf Einladung. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer kommen aus Europa, der Rest aus Nordamerika. In der Öffentlichkeit behaupten die Bilderberger gern, ihre Treffen seien lediglich ein Forum für ›informelle Diskussionen‹. In Wirklichkeit verfügen sie jedoch über einen enormen globalen Einfluss.
Die Ernennung des ehemaligen belgischen Premierministers Herman van Rompuy zum ersten Präsidenten des Europäischen Rates im Jahr 2009 erfolgte bekanntlich nur wenige Tage nach seiner Teilnahme an einem speziellen Bilderberg-Dinner, das anscheinend nur zu dem Zweck organisiert wurde, seine Kandidatur zu prüfen. Viele andere ehemalige Bilderberger, wie Bill Clinton, Tony Blair und Angela Merkel, haben nach ihrer Teilnahme an den Bilderberg-Treffen ebenfalls hohe politische Ämter übernommen. Aus diesem Grund werden die Teilnehmerlisten der Bilderberger oft als ein guter Hinweis darauf angesehen, wo die zukünftige Macht liegen könnte.
Illustre Runde
Zu den namhaften Teilnehmern aus der Politik zählten in diesem Jahr der 99-jährige Henry Kissinger, Mark Rutte (Ministerpräsident der Niederlande), Sanna Marin (Ministerpräsidentin von Finnland), Charles Michel (Präsident des Europäischen Rates) und Margaritis Schinas (Vizepräsident der Europäischen Kommission). Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war in diesem Jahr per Videokonferenz zugeschaltet.
Zu den Teilnehmern aus der Unternehmenswelt gehörten Albert Bourla (Vorsitzender und CEO von Pfizer), Emma Walmsley (CEO von GlaxoSmithKline), Ben van Beurden (CEO von Shell), Bernard Looney (CEO von BP), Eric E. Schmidt (ehemaliger CEO und Vorsitzender von Google), Yann Lecun (Vizepräsident und leitender KI-Wissenschaftler von Facebook), Kevin Scott (CTO von Microsoft) und José Manuel Barroso (Vorsitzender von Goldman Sachs International).
Weitere herausragende Namen auf der Teilnehmerliste waren der König der Niederlande, Jens Stoltenberg (Generalsekretär der NATO), William J. Burns (Direktor des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency), Jake Sullivan (Direktor des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten) und Jeremy Fleming (Direktor des britischen Government Communications Headquarters).
Bilderberg erwartet weitere globale Instabilität
Die Liste der wichtigsten Diskussionsthemen des diesjährigen Treffens lässt durchblicken, dass die Bilderberger davon ausgehen, dass die derzeitige Phase der globalen Instabilität anhalten wird. Ganz oben auf der Diskussionsliste stand das Thema ›Geopolitische Neuausrichtung‹. Es folgten Diskussionen über ›NATO-Herausforderungen‹, ›China‹, ›Indopazifische Neuausrichtung‹, ›Technologischer Wettbewerb zwischen China und den USA‹ und ›Russland‹.
Ebenso besorgniserregend wie diese Eröffnungsthemen war eine Diskussion über ›Kontinuität von Regierungsführung und Wirtschaft‹. Ehrlich gesagt, lässt sich nur vermuten, worauf sich dies beziehen könnte. Anders gefragt: Kontinuität wonach genau? Eine weitere globale Pandemie und ein Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung? Ein wirtschaftlicher Zusammenbruch? Eine Eskalation des Krieges in der Ukraine? Während ein möglicher Hinweis wohl im anschließenden Diskussionsthema (›Störung des globalen Finanzsystems‹) zu finden ist, scheint die Gesamtbotschaft der Bilderberger zu sein, dass die Welt in nächster Zeit nicht zur Normalität zurückkehren werde.
Ein weiteres bedenklich stimmende Thema war eine Diskussion mit dem Titel ›Desinformation‹. In Anbetracht der zunehmenden weltweiten Kontrollen der Redefreiheit in den letzten zwei Jahren, insbesondere im Internet, und des Versuchs der Biden-Administration, ein sogenanntes ›Disinformation Governance Board‹ mit dem erklärten Ziel einzurichten, »die Bekämpfung von Fehlinformationen im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit zu koordinieren«, lässt die Teilnahme mehrerer schwergewichtiger BigTech-Vertreter an dem Treffen darauf schließen, dass die Bilderberger beschlossen haben, dass das Erreichen der ›Kontinuität von Regierungsführung und der Wirtschaft‹ davon abhängt, noch mehr Kontrolle über die Online-Welt zu erlangen.
Nach einer Diskussion über ›Energiesicherheit und Nachhaltigkeit‹, in der vermutlich die Vorstandsvorsitzenden von Shell und BP eine prominente Rolle spielten, stand als nächster Tagesordnungspunkt ›Gesundheit nach einer Pandemie‹ auf dem Programm. Da der COVID-19-Impfstoff von Pfizer vor kurzem zum lukrativsten Medikament der Geschichte wurde, kann die Teilnahme des CEO in diesem Jahr als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Bilderberger auf eine Fortsetzung der Dominanz des Unternehmens in der Pharma-Medizin setzen.
Zu den weiteren Themen, die behandelt wurden (oder über die wir zumindest informiert wurden), gehörten Diskussionen über die ›Fragmentierung demokratischer Gesellschaften‹ und ›Handel und Deglobalisierung‹. Abgeschlossen wurde das Treffen offenbar mit einer Diskussion über die Ukraine.
Und da haben Sie es. Abgesehen von einem gut geschriebenen Artikel aus der Feder des langjährigen Bilderberg-Beobachters Charlie Skelton, der im Guardian veröffentlicht wurde, war die Berichterstattung der Mainstream-Medien über das viertägige Treffen praktisch nicht vorhanden. Jedoch war nicht so, dass niemand von den großen Medien dabei war, denn zu den Teilnehmern gehörten hochrangige Vertreter von Axel Springer, The Economist, The Financial Times und anderen. Es ist einfach so, dass die Medienhäuser – und Bilderberg – nicht wollen, dass Sie davon wissen.