Zu Beginn des neuen Jahres, da die Preise für mehr als 350 Medikamente, die sie in den Vereinigten Staaten vermarkten, angehoben wurden, haben führende Vertreter der Pharmaindustrie ihre altbekannte Behauptung wiederholt, dass solche Preiserhöhungen notwendig seien, um die Kosten für Forschung und Entwicklung zu decken. Eine Senkung der Arzneimittelpreise, so argumentieren sie, würde die Gewinne schmälern und die Produktinnovation bremsen. Ein Blick auf die Fakten zeigt jedoch, dass die Wahrheit etwas anders aussieht. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die großen Pharmaunternehmen in den USA zwischen 2012 und 2021 mehr Geld für Aktienrückkäufe und Aktionärsdividenden ausgaben als für Forschung und Entwicklung.
Wie die von den Ökonomen William Lazonick – emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts – und Öner Tulum – Forscher an der Brown University auf Rhode Island – verfasste Studie darlegt, wird die Behauptung der Pharmaindustrie, die Arzneimittelpreise müssten unreguliert sein, um Gewinne für Reinvestitionen in innovative neue Medikamente zu erzielen, eindeutig durch Beweise widerlegt. Statt die Gewinne zur Steigerung der Investitionen zu nutzen, konzentrieren sich die Pharmaunternehmen in Wirklichkeit darauf, die Arzneimittelpreise hoch zu halten, um durch massive Ausschüttungen an die Aktionäre die Renditen ihrer börsennotierten Aktien zu steigern.
Die Studie zeigt, dass zwischen 2012 und 2021 die 14 größten börsennotierten Pharmaunternehmen in den USA 747 Milliarden Dollar für Aktienrückkäufe und Aktionärsdividenden ausgaben – ein Betrag, der offensichtlich jene 660 Milliarden Dollar übersteigt, die sie für die Forschung und Entwicklung von Medikamenten aufwandten. Aktienrückkäufe werden von den Unternehmen zunehmend als Mittel zur Manipulation ihrer Aktienkurse eingesetzt. Indem sie eigenen Aktien zurückkaufen, verringern sie die Anzahl der verfügbaren Aktien und erhöhen den Wert der verbleibenden. Auf diese Weise kann der Wert eines Unternehmens künstlich in die Höhe getrieben werden, unabhängig von der Wirksamkeit oder Sicherheit seiner Produkte. Diese Praxis ist in den Vereinigten Staaten seit 1982 legal und inzwischen weit verbreitet. Die Autoren der Studie plädieren für ein Verbot dieser Praxis.
Die Notwendigkeit einer radikalen Reform des globalen Gesundheitssystems
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich, dass die Pharmaindustrie in ihrem Kern keine wirkliche Gesundheitsindustrie ist, sondern eine Investmentindustrie, deren Hauptzweck die Vermehrung der Bankguthaben ihrer Aktionäre ist. Für die Führungskräfte an der Spitze der weltweiten Pharmaunternehmen stehen die Bedürfnisse der menschlichen Gesundheit erst an zweiter Stelle hinter der Erzielung von gewaltigem Reichtum und Profit. So abwegig es auch erscheinen mag, es liegt nicht einmal im Interesse der Pharmaindustrie, Krankheiten zu verhindern. Ganz im Gegenteil: Das Fortbestehen und die Ausweitung von Gesundheitsproblemen ist eine Voraussetzung für das finanzielle Wachstum der Branche.
Dass die Pharmaindustrie die Medizin korrumpiert hat, gibt mittlerweile selbst das British Medical Journal offen zu. Wir dürfen also sicher sein: Nie war ein radikaler Wandel des globalen Gesundheitssystems so dringend notwendig. Und ein alternatives Modell, das sich auf die Vorbeugung von Krankheiten und die Anwendung wissenschaftlich fundierter natürlicher Gesundheitsverfahren konzentriert, existiert bereits. Dessen Umsetzung als nicht-gewinnorientierte Form und unter Bereitstellung kostenloser gesundheitlicher Bildung für Menschen aller Altersgruppen wird entscheidend sein, um den langfristigen Erfolg dieses tragfähigen Ansatzes zu sichern. Unterdessen führt die Studie von Lazonick und Tulum aller Welt zweifelsfrei vor Augen, dass das profitorientierte Geschäftsmodell der Pharmaindustrie unheilbar krank und nicht reformfähig ist.