Die Gerüchte verdichten sich, dass die Unternehmensehe zwischen dem deutschen Pharmakonzern Bayer und dem amerikanischen Agrochemie-Giganten Monsanto möglicherweise geschieden werden soll. Unter dem zunehmenden Druck der Aktionäre soll nach einem dramatischen Einbruch des Bayer-Aktienkurses in den letzten acht Jahren der berüchtigte Vorstandsvorsitzende Werner Baumann durch den ehemaligen Chef des Schweizer Pharmakonzerns Roche, Bill Anderson, ersetzt werden. Baumann hatte eine führende Rolle bei der Durchsetzung der desaströsen 63-Milliarden-Dollar-Übernahme von Monsanto durch Bayer im Jahr 2018 gespielt. Beobachter der Pharmabranche vermuten, dass sein Abgang ein Zeichen dafür ist, dass eine Aufspaltung des Unternehmens unmittelbar bevorstehen könnte.
Durch die Monsanto-Übernahme erbte Bayer über 100 000 Klagen von Menschen, die geltend machten, infolge der Exposition gegenüber dem glyphosatbasierten Herbizid Roundup des Agrochemie-Unternehmens geschädigt worden zu sein. Eingereicht wurden diese Klagen, nachdem die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation 2015 bekannt gegeben hatte, dass Glyphosat »für den Menschen wahrscheinlich krebserregend« ist. Studien haben seither »zwingende Beweise« dafür geliefert, dass die Chemikalie das Risiko der Entwicklung von Non-Hodgkin-Lymphomen, einer Krebserkrankung des Lymphsystems, erhöht.
Die Beilegung der Roundup-Klagen hat Bayer bereits fast 11 Milliarden Dollar gekostet. Die Prozesskosten haben diese Summe noch weiter erhöht. Bislang wurden rund 80 Prozent der eingereichten Fälle beigelegt. Da die amerikanischen Anwälte aber immer noch aktiv nach neuen Klägern suchen, läuft die Sammelklage weiter. Bayers bereits zuvor taumelnder Aktienkurs ist in dieser Situation um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2015 eingebrochen, und es ist es leicht zu verstehen, warum die Investoren des Unternehmens darauf drängen, dass Monsanto abgeschnitten und verkauft wird. Doch selbst wenn dies geschieht, deutet Bayers dunkle Vergangenheit nicht darauf hin, dass sich seine Geschäftsphilosophie langfristig ändern wird.
Die finstere Vergangenheit von Bayer
Bayer hat eine dunkle Vorgeschichte darin, seine Gewinne über die Gesundheit und das Leben der Menschen zu stellen. Nachdem im Jahr 2001 entdeckt wurde, dass sein cholesterinsenkendes Statin-Medikament Baycol (Lipobay) in den USA mit dem Tod von 31 Patienten in Verbindung steht, war das Unternehmen gezwungen, das Medikament vom Markt zu nehmen. Später entdeckte Dokumente ließen erkennen, dass leitende Angestellte von Bayer schon lange vor der erzwungenen Marktrücknahme wussten, dass das Medikament ernsthafte Probleme aufwies. Wie die New York Times 2003 berichtete, legen E-Mails, Memos und eidesstattliche Erklärungen nahe, dass Bayer das Medikament beworben hat, obwohl ihnen bewusst war, dass Patienten daran erkrankten oder starben. Insgesamt werden weltweit etwa 100 Todesfälle mit Baycol/Lipobay in Verbindung gebracht.
Im September 2006 gab die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) bekannt, dass Bayer es versäumt hatte, die Ergebnisse einer großen Studie offenzulegen, die darauf hindeutete, dass Trasylol, ein von Bayer hergestelltes Medikament für die Herzchirurgie, das Risiko für schwere Nierenschäden, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Tod erhöhen könnte. Bayer gab später zu, die Studie unterdrückt zu haben, und behauptete, dies sei »versehentlich« geschehen. Es wird geschätzt, dass 22 000 Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn Trasylol früher vom Markt genommen worden wäre.
Diese Todesfälle werden jedoch von denjenigen in den Schatten gestellt, die auf die Bayers Beteiligung am IG Farben Kartell, an Auschwitz und an den beiden Weltkriegen zurückzuführen sind.
Kriegsverbrechen
Während des Ersten Weltkriegs war Bayer an der Entwicklung und Herstellung einer Reihe von Sprengstoffen und Giftgasen, darunter Senfgas, beteiligt. Die chemischen Kampfstoffe des Unternehmens wurden mit verheerender Wirkung eingesetzt. Es waren die ersten Massenvernichtungswaffen der Welt.
Im Zweiten Weltkrieg war Bayer als Mitglied der IG Farben Teil des größten Chemiekartells in der Geschichte Deutschlands. Seine patentierten Substanzen wurden an Insassen von Auschwitz und anderen Konzentrationslagern getestet, die als menschliche Versuchskaninchen dienten. Durchgeführt wurden diese Tests von Dr. Helmuth Vetter, einem Bayer-Mitarbeiter und SS-Arzt der NSDAP.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Fritz ter Meer, ein Direktor der IG Farben, bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Sklaverei, Massenmord, Plünderung und Enteignung, zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Nach nur 2 Jahren erfolgte bereits seine Freilassung, und damit nicht genug, wurde dieser verurteilte Verbrecher unmittelbar darauf Vorsitzender des Bayer-Aufsichtsrats, ein Amt, das er 8 Jahre lang innehatte.
Alles für die Maximierung des Unternehmenswertes
Interne Papiere, in denen der potentielle Wert einer Unternehmensaufspaltung kalkuliert wird, sind angeblich schon an die Mainstream-Medien durchgesickert. Somit besteht kaum ein Zweifel daran, dass Bayer aktiv über eine Trennung von Monsanto nachdenkt. Ob dies nun zu einer Erholung des Bayer-Aktienkurses führen wird oder nicht, ist letztlich unerheblich.
Als Bayer Monsanto kaufte, kannte es die Hintergründe und Verbrechen des Agrochemie-Konzerns. Vorausgeeilt war Monsanto auch sein Ruf als das meistgehasste Unternehmen der Welt. Und dennoch: Bayer würde jetzt nicht über einen Verkauf des Unternehmens nachdenken, hätte diese ganze Übernahme nicht so dramatische negative Auswirkungen auf den Aktienkurs.
Unterm Strich wird es beim Verkauf von Monsanto also um die Maximierung des shareholder value gehen. Denn machen wir uns keine Illusionen: Eine Verbesserung der menschlichen Gesundheit steht aus Sicht von Bayers Hauptaktionären bestenfalls an zweiter Stelle. Wahrscheinlicher aber ist, dass Gesundheit im Grunde als irrelevant betrachtet wird.