Das Journal of the American Medical Association (JAMA), die weltweit auflagenstärkste medizinische Fachzeitschrift, hat in einer eindrücklichen Stellungnahme eingeräumt, dass die Glorifizierung des Profits der Gesundheitsversorgung schadet. In einem Artikel, der am 30. Januar 2023 auf der JAMA-Webseite veröffentlicht wurde, beschreibt Dr. Donald M. Berwick die von der Gier ausgehende existentielle Bedrohung für das amerikanische Gesundheitssystem. Der Beitrag bestätigt vieles von dem, was Dr. Rath und unsere Organisation schon seit Jahren sagen, und er zeigt, dass wichtige Aspekte unserer Analyse über die schädlichen Auswirkungen der Pharmaindustrie und des gewinnorientierten Gesundheitssystems allmählich zum Mainstream werden.
Berwick beschreibt, wie der Griff des finanziellen Eigeninteresses im amerikanischen Gesundheitssystem zu einem Würgegriff wird. Vor dem maßlosen Profitstreben sei kein Bereich des US-Gesundheitswesens gefeit. Besonders kritisiert wird die Pharmaindustrie. Wie Berwick richtig feststellt, nutzen die Pharmaunternehmen das Monopol auf Medikamente dazu, die Preise in die Stratosphäre zu treiben. Das Fehlen jeglicher ernsthafter Preisregulierung hat den Pharmaunternehmen enorme Gewinne beschert, erklärt er, selbst in Fällen, in denen ein Großteil der Grundlagenforschung aus staatlichen Quellen finanziert wurde.
Berwick beschreibt, wie einem Patienten an der Universität von Chicago 73 800 Dollar für zwei Injektionen von Lupron-Depot in Rechnung gestellt wurden, einer Behandlung für Prostatakrebs, die im Vereinigten Königreich für 260 Dollar pro Dosis erhältlich ist. Berwick weist darauf hin, dass die Kommission für Gesundheitspolitik in Massachusetts im Jahr 2022 berichtete, dass die Preise und Einnahmen der Krankenhäuser innerhalb eines Jahrzehnts fast viermal so stark gestiegen sind wie die Inflationsrate.
Berwick zufolge haben 41 Prozent der erwachsenen Amerikaner medizinische Schulden, wobei jeder Achte mehr als 10 000 Dollar schuldet. Im Jahr 2021, so Berwick, würden 58 Prozent aller Inkasso-Forderungen in den Vereinigten Staaten auf Arztrechnungen entfallen. Das Ergebnis ist, dass Millionen von Amerikanern gezwungen sind, ihre Ausgaben für Lebensmittel und andere lebenswichtige Dinge zu kürzen, und viele werden in den Bankrott getrieben.
Ungezügelte Gier ist zwar nicht die einzige Ursache für das Scheitern des amerikanischen Gesundheitswesens, schreibt Berwick, aber eine der wichtigsten. Die Vorgänge seien ein Teufelskreis, erklärt er: Ungezügelte Gier konzentriere den Reichtum, der Reichtum konzentriere die politische Macht, und die politische Macht blockiere die Einschränkung der Gier.
Berwick räumt ein, dass es keine einfachen Antworten gibt, sieht aber vier wesentliche Veränderungen als notwendig an. Erstens, sagt er, müssen die Angehörigen der Gesundheitsberufe den Konflikt zwischen unkontrollierter Gier und der Pflicht zur Heilung lauter ansprechen. Wucherpreise für Medikamente und ausbeuterische Missbräuche in der medizinischen Praxis sollten nicht mit Schweigen quittiert werden. Schweigen ist Zustimmung, behauptet er.
Zweitens sollten die Angehörigen der Gesundheitsberufe über ihre Berufsverbände darauf hinwirken, dass das Streben nach immer höheren Vergütungen als Priorität zurückgedrängt wird. Die Ressourcen sollten den Bedürftigsten in der Gesellschaft zugute kommen. Die Ausübung der Medizin muss den Schutz aller Patienten als erste und höchste Berufung ansehen, sagt Berwick, und dazu gehört auch der Schutz vor belastenden medizinischen Schulden und Konkursen.
Drittens sollten Führungskräfte und Fachleute des Gesundheitswesens bei der Regierung darauf hinwirken, dass Gesetze zur Eindämmung der Gier verabschiedet werden. Dazu gehört auch eine Reform des Patentrechts – ein Thema, über das Dr. Rath und unsere Organisation im Laufe der Jahre ausführlich geschrieben haben.
Viertens, so Berwick, sollten Angehörige der Gesundheitsberufe darauf bestehen, dass ihre Organisationen aktiv in die Verbesserung der tatsächlichen sozialen Einflüsse auf die Gesundheit investieren. Aus unserer eigenen Perspektive könnte dies zu einem Wandel führen, wenn dies die Optimierung der Ernährung, die Vermeidung von Mikronährstoffmangel und die Sicherstellung von Lebensmitteln aus biologischem Anbau, frei von Pestiziden und GVO, umfasst.
Wer sich für eine Reform des Gesundheitswesens einsetzt, sollte die Veröffentlichung von Berwicks Analyse im JAMA begrüßen. Zwar ist klar, dass das westliche Gesundheitsmodell verkommen ist zu einem von der Pharmaindustrie gesteuerten Vehikel zur Erzielung und Aufrechterhaltung übermäßiger privater Gewinne. Doch dies muss nicht so bleiben. Wir alle haben es in der Hand, einen Wandel herbeizuführen. Die amerikanische Anthropologin Margaret Mead hat es einmal so formuliert: »Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe aufmerksamer, engagierter Bürger die Welt verändern kann. In der Tat ist dies das Einzige, was jemals geschehen ist.«