In den ersten Monaten der COVID-19-Pandemie, als die Welt mit der herannahenden Ausnahmesituation kämpfte, fand hinter den Kulissen ein versteckter Kampf statt. Wie eine von Reuters durchgeführte Untersuchung kundtut, wurde dieser Kampf nicht mit Medikamenten oder Beatmungsgeräten, sondern mit Desinformation und verdeckten Operationen geführt. Im Mittelpunkt dieses geheimen Krieges stand eine Propagandakampagne des Pentagons, die darauf abzielte, den wachsenden Einfluss Chinas zu brechen, indem die Glaubwürdigkeit seiner COVID-19-Impfstoffe untergraben wurde.
Der Wettlauf um die Vermarktung der COVID-19-Impfstoffe lief erbittert. Verzweifelt versuchten die Länder, für ihre Bevölkerung genügend Dosen zu beschaffen. Nach dem Motto »America First« sicherten sich die USA schnell einen großen Teil des weltweiten Angebots. Chinas Impfstoffe hingegen wurden im Westen zwar als weniger wirksam dargestellt als die von den amerikanischen Unternehmen Moderna und Pfizer hergestellten, doch von der Weltgesundheitsorganisation waren auch sie zugelassen.
Die Anti-Vax-Propagandakampagne des Pentagons sollte die wirtschaftlichen Interessen der amerikanischen Pharmaunternehmen schützen. Ironischerweise könnte sie jedoch Auswirkungen gehabt haben, die über die eigentlichen Bestrebungen hinausgingen. Wie in den Reuters-Untersuchungen festgestellt wird, zeigen Forschungsergebnisse, dass die Skepsis gegenüber einem Impfstoff häufig auch Zweifel an anderen Impfstoffen nach sich zieht. Angesichts der Tatsache, dass die weltweit größte COVID-19-Impfstoffstudie unlängst einen Zusammenhang mit dem Auftreten schwerwiegender gesundheitlicher Probleme bestätigt hat, sind solche Zweifel eindeutig angebracht.
Chinesische Diplomatie
Mit Eskalation der COVID-19-Pandemie sah China eine Gelegenheit, seinen geopolitischen Einfluss durch Impfdiplomatie auszuweiten. Peking bot daher Ländern, die mit der Pandemie zu kämpfen hatten, Impfstoffe und medizinische Hilfe an, darunter auch den Philippinen, die in den ersten Monaten des Jahres 2020 über 100 000 Infektionen registriert hatten. Präsident Rodrigo Duterte, der für seine umstrittenen Beziehungen zu den USA bekannt ist, dankte China öffentlich und räumte den Impfstoffen Priorität ein, was in Washington für Aufsehen sorgte.
Doch bei Dutertes Annäherung an China stand mehr auf dem Spiel als ein Deal um Impfstoffe. In einer Rede im Juli 2020 drückte Duterte seine Hoffnung aus, dass die Philippinen in der ersten Reihe für Chinas Impfstoffe stehen würden. Im Gegenzug schwor er, Chinas territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer nicht anzufechten, wodurch sich die langjährige sicherheitspolitische Ausrichtung der Philippinen auf die Vereinigten Staaten effektiv verschob.
Der Gegenschlag des Pentagons
Alarmiert durch Chinas erfolgreiche Impfstoffdiplomatie drängte die US-Militärführung, voran der General Jonathan Braga vom Special Operations Command Pacific, auf eine Reaktion. Erklärtes Doppelziel: Sicherstellen, dass Südostasien akzeptiert, dass COVID-19 aus China stammt; Skepsis gegenüber den chinesischen Impfstoffen fördern.
Braga und sein Team setzten also auf psychologische Kriegsführung und nutzten anonyme Nutzerkonten in sozialen Medien, um chinafeindliche Botschaften zu verbreiten und Stimmung zu machen gegen dessen Impfstoffe. Diese Operation war Teil umfassenderer Bemühungen, Chinas Darstellung entgegenzuwirken und geopolitisches Terrain zurückzugewinnen, welches in der Frühphase der Pandemie verloren gegangen war.
Die Regierung als Opposition
Der Plan des Pentagons stieß auf erheblichen Widerstand innerhalb der US-Regierung. Wenigstens sechs hochrangige Beamte des Außenministeriums vertraten die Position, dass eine Gesundheitskrise der falsche Zeitpunkt sei, um durch psychologische Operationen Angst oder Wut zu schüren.
Diesem Widerstand zum Trotz erlaubte eine 2019 vom damaligen Verteidigungsminister Mark Esper unterzeichnete Anordnung dem Pentagon, das Außenministerium bei der Durchführung psychologischer Operationen zu umgehen. Damit wurde die Auseinandersetzung des Pentagons mit Russland und China im Grunde auf die Ebene des aktiven Kampfes gehoben und der Weg für eine Propagandakampagne bereitet.
Die Propaganda-Maschine
Gestartet wurde die Kampagne im Frühjahr 2020 von der MacDill Air Force Base in Tampa, wo spezifische Militärs und Auftragnehmer für psychologische Kriegsführung eine geheime Propagandafabrik betreiben. Diese Agenten nutzten gefälschte Konten auf Plattformen wie X (einst Twitter) und Facebook, um sogenannte Anti-Vax-Botschaften zu verbreiten, die sich speziell gegen chinesische Impfstoffe richteten.
Die Operation nahm eine dunklere Wendung, als sie über Südostasien hinaus auf Regionen wie den Mittleren und Nahen Osten und Zentralasien ausgedehnt wurde. Hier versuchte die Kampagne, religiöse und kulturelle Empfindlichkeiten auszunutzen, indem sie behauptete, chinesische Impfstoffe enthielten Schweinegelatine, die im Islam als haram, mithin als verboten, gilt. Entgegen der Zusicherung Chinas, dass seine Impfstoffe frei von Bestandteilen von Schweinen seien, zielten die vom Pentagon lancierten Botschaften weiter darauf ab, Zweifel und Ängste zu schüren.
Gegenreaktion in den sozialen Medien
Die Betreiberunternehmen von sozialen Medien wurden schnell auf die Aktivitäten des Pentagons aufmerksam. Im Sommer 2020 identifizierten die Verantwortlichen von Facebook zahlreiche gefälschte Konten, die mit der Kampagne des Militärs in Verbindung standen, und markierten sie. Sie warnten das Pentagon, dass diese Konten gegen ihre Richtlinien gegen Fehlinformationen verstießen. Das Militär argumentierte jedoch, dass viele dieser Konten für seine Anti-Terror-Operationen von entscheidender Bedeutung seien, und forderte deren Aufrechterhaltung.
Trotz der Zusicherung, dass die Verbreitung von Propaganda im Zusammenhang mit COVID aufhören würde, wurde die Anti-Impfkampagne bis ins Jahr 2021 fortgesetzt. Dies stieß Berichten zufolge auf den Unwillen der neu ins Amt gekommenen Biden-Regierung, die sich für die Absatzförderung von Impfstoffen und die Bekämpfung der sogenannten ›Impfmüdigkeit‹ einsetzte.
Weitere Propaganda in Vorbereitung
Schließlich schränkte das Pentagon in Reaktion auf den zunehmenden Druck und interne Auswertungen seine Anti-Vax-Botschaften ein. Eine interne Prüfung ergab, dass die Kampagne erhebliche Mängel aufwies, darunter eine unzureichende Überwachung der Auftragnehmer und eine mangelhafte operative Sicherheit. Die Überprüfung führte zu einem veränderten Vorgehen, nämlich zu einer Politik, die eine engere Zusammenarbeit mit US-Diplomaten vorschreibt und das Streuen von Botschaften in der breiten Bevölkerung im Rahmen psychologischen Operationen einschränkt.
Dennoch ist klar, dass die verdeckten Propagandaaktivitäten des Pentagons weitergehen werden. Ein kürzlich öffentlich gewordenes Strategiedokument von hochrangigen Pentagon-Generälen unterstreicht das Engagement des US-Militärs zugunsten des Einsatzes von Desinformation und ähnlichen Taktiken, um Ländern wie China und Russland zu begegnen. Ein weiterer Beleg für die Richtung, in die sich die Dinge bewegen, ist die Tatsache, dass General Dynamics IT, der an der Anti-Vax-Kampagne beteiligte Auftragnehmer, vor kurzem einen Vertrag in Höhe von 493 Millionen Dollar erhalten hat, um dem Militär weiterhin für dessen geheime Einflussnahme auf die Öffentlichkeit dienstbar zu sein.
Die den Profit vor die Menschen stellen
Die geheime Anti-Impfstoff-Kampagne des Pentagons wirft ein Schlaglicht auf die verschlungenen und oft undurchsichtigen Verbindungen zwischen öffentlicher Gesundheit, Geopolitik und militärischer Machtausübung. Nur selten werden diese Zusammenhänge in den überkommenen Mainstream-Medien thematisiert. Aus diesem Grund war es für viele Menschen bis vor kurzem schwer anzuerkennen, dass das US-Militär eine aktive Rolle beim Schutz der Geschäftsinteressen amerikanischer Pharmaunternehmen spielt. Heute ist dies jedoch für jeden offensichtlich. Der häufig erhobene Vorwurf, es gehe im Kern darum, den Profit über die Gesundheit und das Leben von Menschen zu stellen, bringt die Situation unverkennbar auf den Punkt.