Aus einem hochrangigen staatlichen Sicherheitslabor im australischen Queensland kamen Berichten zufolge Hunderte von Fläschchen mit tödlichen Viren abhanden. Offenkundig ein schwerwiegender Verstoß gegen die Biosicherheit. Der Gesundheitsminister von Queensland, Tim Nicholls, bestätigte den Verlust und räumte ein, dass 323 Fläschchen mit aktiven Viren offenbar unauffindbar sind. Unter den vermissten Proben befinden sich fast 100 Fläschchen mit dem Hendra-Virus, zwei Fläschchen mit dem Hantavirus und 223 Fläschchen mit dem Lyssavirus. Sie alle sind für den Menschen äußerst gefährlich. Während die Behörden eine konkrete Gefährdung der Öffentlichkeit in Abrede stellen, bleibt die Frage, warum wir erst jetzt von diesem Vorfall erfahren, der bereits vier Jahre zurückliegt.
Wohl aufgrund einer Fehlfunktion des Gefriersystems seien die Fläschchen aus dem virologischen Labor für öffentliche Gesundheit in Queensland verschwunden, wird vermutet. Zwar könnten die verloren gegangenen Virusproben potentiell als Waffe eingesetzt werden, räumen die Behörden ein, doch sei der Prozess komplex und nicht von Amateuren durchführbar, versuchen sie die Einwohner von Queensland zu beruhigen. Der Verlust der Fläschchen soll sich im Jahr 2021 ereignet haben, wurde aber offenbar erst im August 2023 bei Nachforschungen entdeckt.
Ernstzunehmende Risiken für die Gesundheit
Zweifelsohne stellen die betreffenden Viren ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar. Das Hendra-Virus, das vor allem Pferde befällt, hat beim Menschen eine Sterblichkeitsrate von 57 Prozent. Das Hantavirus, das von Nagetieren übertragen wird, verursacht das Hantavirus-Pulmonale-Syndrom, eine Erkrankung mit einer 38-prozentigen Sterblichkeitsrate in symptomatischen Fällen. Das Lyssavirus, eine der Tollwut ähnliche Krankheit, verläuft fast immer tödlich, sobald Symptome auftreten, und ist jedes Jahr für rund 59 000 Todesfälle weltweit verantwortlich.
Unaufklärt ist nach wie vor der Verbleib der verschwundenen Virusproben. Nach Angaben der Behörden gibt es allerdings derzeit keine Hinweise darauf, dass sie zu einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit geführt haben oder dass sie in böswilliger Absicht entwendet wurden. Als Reaktion auf den Vorfall hat die Gesundheitsbehörde von Queensland gleichwohl eine unabhängige Untersuchung eingeleitet. Unter der Leitung des pensionierten Richters am Obersten Gerichtshof, Martin Daubney AM KC, und des Biosicherheitsexperten Dr. Julian Druce soll vor allem festgestellt werden, wie die Proben verloren gegangen sind, und es soll verhindert werden, dass dies in Zukunft noch einmal geschieht.
Schlechte Nachrichten begraben
Die Überzeugung, dass die COVID-19-Pandemie durch ein Leck in einem chinesischen Labor ausgelöst wurde, wächst zusehends. Umso mehr bleibt vor diesem Hintergrund abzuwarten, ob Australiens Umgang mit dieser jüngsten Panne im Bereich der Biosicherheit ausreicht, das angeschlagene Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit von Hochsicherheitslaboratorien wiederherzustellen. Mögen die Behörden von Queensland auch betonen, dass die Öffentlichkeit nicht gefährdet sei. Die entscheidende Frage bleibt: Warum erfahren wir erst jetzt vom Verlust dieser Virusproben, obwohl sie offenbar schon vor vier Jahren »verschwunden« sind?
Eine Erklärung dafür könnte die Tatsache sein, dass sich dieser Verstoß gegen die Biosicherheit im Jahr 2021, inmitten der COVID-19-Pandemie, ereignete. Angesichts der Lockdowns, Reiseverbote, Impfvorschriften und anderer drakonischer Beschränkungen, die zu dieser Zeit in Australien galten, könnten die Behörden von Queensland besorgt gewesen sein, dass selbst 2023, als der Verlust auffiel, ein Eingeständnis des Abhandenkommens Hunderter tödlicher Virusproben das Vertrauen der Öffentlichkeit zu tief erschüttert hätte.
Wie wir aber mittlerweile wissen, war das Vertrauen der australischen Öffentlichkeit in die staatlichen Gesundheitsinformationen bereits durch die Reaktion des Landes auf COVID-19 selbst stark beschädigt worden. Erst vor kurzem warnte eine von der australischen Regierung eingesetzte Untersuchungskommission, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit bei einer künftigen Pandemie nicht mehr so groß sein werde, und fügte hinzu, dass die Menschen viele der getroffenen Maßnahmen wahrscheinlich nicht mehr hinnehmen würden.
Auch wenn für eine Regierung sicherlich nie ein idealer Zeitpunkt existiert, um einen so bedeutenden Verstoß gegen die Biosicherheit einzugestehen, so gebieten doch die Interessen der öffentlichen Gesundheit und die Notwendigkeit der Transparenz, dass die Menschen formell ein Anrecht – und in der Tat das Verlangen – haben, die Wahrheit zu erfahren. Die Tatsache, dass die Verlautbarung in der Zeit vor den Weihnachtsferien erfolgte, spricht in dieser Hinsicht Bände. Offenbar hielten die Behörden dies für den besten Zeitpunkt, um die schlechte Nachricht zu verbergen. Transparenz im öffentlichen Gesundheitswesen scheint in Australien, wie auch in anderen Ländern, für die Politik von untergeordnetem Stellenwert zu sein.