Einer der Gründerväter menschlicher Anatomie war sicherlich Andreas Vesalius. Durch seine wissenschaftlichen Erkenntnisse löste er alte Lehrgrundlagen der Anatomie gänzlich ab und entlarvte die etablierte Medizin als fehlerhaft. Dadurch musste er Jahre des Kampfes gegen die damaligen Autoritäten ertragen und wurde jahrelang öffentlich diskreditiert.
Andreas Vesalius
Vesalius wurde 1514 in Brüssel geboren. Seine Familie bestand aus wohlhabenden Ärzten und Apothekern, so dass sie den Jungen auf die besten Schulen schicken konnten.
Als junger Mann dann studierte Vesalius Medizin in Paris, Louvain und Padua. Zu jener Zeit wurde die Medizin streng nach Galen ausgerichtet. Dieser griechische Arzt lebte 1300 Jahre zuvor und auf seinen Lehren beruhte die gesamte medizinische Fakultät. Kaum etwas wurde seit Galen verändert, ergänzt oder verbessert. Sämtliche Behandlungen basierten auf seinen Schriften.
Vesalius war sehr strebsam und promovierte 1537 in Padua. Er nahm sogleich das Angebot eines Lehrstuhls der dortigen Universität an und wurde erfolgreicher Professor für Anatomie und Chirurgie.
Galen
1539 wurde ein paduanischer Richter auf Vesalius Arbeit aufmerksam und bot ihm für seine anatomische Forschung die Körper exekutierter Verbrecher an. Von da an konnte Vesalius regelmäßig Leichen sezieren und damit sein Wissen enorm vertiefen. Er fand heraus, dass Galen in vielen Thesen falsch lag. Zum Beispiel haben Männer und Frauen die gleiche Anzahl Rippen, eine Erkenntnis die der geläufigen Meinung der Kirche grob widersprach.
Vesalius konnte außerdem widerlegen, dass Affen und Mensch die gleiche Anatomie besitzen. Das Brustbein des Affen besitzt sieben Segmente, das des Menschen aber nur drei. Galen hatte damals nur an Tieren experimentiert und konnte zu keinen anderen Ergebnissen kommen.
Vesalius begriff die unfassbare Bedeutung seiner Forschung und schrieb die komplette Anatomie des Menschen neu. Sein Werk umfasst sowohl bahnbrechende Entdeckungen über das menschliche Nerven- und Muskelsystem, als auch die wichtige Erkenntnis, dass das Herz das Blut durch den Körper pumpt. Selbst das war vorher nicht bekannt!
1543 dann war es für Vesalius an der Zeit, sein Wissen mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen und die medizinische Versorgung insgesamt zu verbessern. So veröffentlichte er sein Lebenswerk, DE HUMANI CORPORIS FABRICA LIBRI SEPTEM (Die Beschaffenheit des menschlichen Körpers in sieben Büchern). Die Werke wurden die bedeutsamsten Veröffentlichungen der Zeit und gleichzeitig auch die kontroversesten! Die ausführlichen und sauber gezeichneten, von Haut und Sehnen befreiten, menschlichen Darstellungen waren eine Provokation für die katholische Kirche. Die öffentliche Diskreditierung Vesalius als Ketzer nahm nun deutlich zu.
Zum Glück hatte er auch Unterstützer: Karl V. war beeindruckt von seinem Werk und bestellte ihn sofort als Leibarzt an seinen Hof. Dessen Sohn, Philipp II., behielt ihn ebenfalls und sorgte für seinen Unterhalt und Titel.
Unter den konservativen Ärzten allerdings genoss Vesalius weiterhin keinen guten Ruf. Er wurde regelmäßig öffentlich denunziert und attackiert und schließlich vor Gericht gebracht. Er konnte einer Verurteilung nur knapp entgehen, indem er kurzerhand auf eine Pilgerreise nach Griechenland geschickt wurde. Auf deren Rückreise starb er schließlich 1564 mit nur 49 Jahren. Man sagt, dass er inzwischen so verarmt war, das ein Spender für seine Beerdigung aufkommen musste.
Sein Lebenswerk bleibt unvergessen. Millionen Menschen konnten aufgrund seiner Arbeit gerettet werden.