Im November fand in Bonn die 27. Sitzung des Codex-Komitees für Ernährung statt. Das Komitee trifft sich seit seiner Gründung im Jahr 1966 in Deutschland und war verantwortlich für den Entwurf der umstrittenen Richtlinien für Vitamin- und Mineralstoffergänzungsmittel. Allerdings ist der derzeitige Text aufgrund des überwältigenden öffentlichen Widerstands gegen die Richtlinien nur ein ‚Rahmen’-Dokument, und die restriktiveren Aspekte der Richtlinien, deren Aufnahme das Pharma-Kartell gern gesehen hätte, sind noch nicht umgesetzt worden. Das heißt: Jetzt müssen wir mehr denn je wachsam bleiben und den Druck aufrecht erhalten, da die potenziell schädlichsten Aspekte der Arbeit des Komitees noch bevorstehen.
Die diesjährige Sitzung des Kodex-Komitees für Ernährung fand vom 21. bis 25. November in Bonn statt, es nahmen 315 Delegierte daran teil, die 68 Länder und 33 internationale Organisationen vertraten.
Schon bei der Eröffnung der Sitzung sagte der Vorsitzende, Dr. Rolf Großklaus, dass das Komitee sein öffentliches Image verbessern müsse. Und kündigte gleich darauf an, dass die Sitzung nächstes Jahr nicht in Deutschland, sondern in Thailand stattfinden werde. Einige Delegierte spekulierten daraufhin, ob das Komitee möglicherweise hofft, durch die Verlegung der nächsten Sitzung nach Thailand, weg von den Augen der Öffentlichkeit, eine weitere Kontrolle seiner Arbeit zu vermeiden.
Vier Punkte auf der diesjährigen Agenda des Komitees sind für die Zukunft der natürlichen Gesundheitsfürsorge und der Zellularmedizin von besonderer Bedeutung.
Der Vorschlag, zusätzliche oder überarbeitete Referenzwerte für Nährstoffe (NRVs) auf Etiketten zu erwägen, wurde ursprünglich bei der Sitzung des Komitees im November 2003 gemacht. Dieses Jahr prüften die Codex-Delegierten ein Diskussionspapier, das von Südafrika zu dieser Frage erstellt worden war.
Wie wir in der vorigen Ausgabe von Rath International beschrieben haben, kann man sich NRVs im Wesentlichen als ein Versuch vorstellen, die Nährstoffanforderungen des Durchschnittsmenschen festzuschreiben. Natürlich ergibt sich jedoch aus diesem Konzept unmittelbar ein Problem, denn da jede und jeder Einzelne von uns genetisch einzigartig ist, wie kann man da behaupten, dass es so etwas wie eine ‚durchschnittliche‘ Person gibt? Außerdem ergibt sich bei der Erwägung der ‚Anforderungen’ die grundlegende Frage, ob man über die Nährstoffanforderungen für gewöhnliche Gesundheit oder für optimale Gesundheit spricht.
Zum Glück zeigte das Diskussionspapier, das Südafrika für diese Sitzung erstellt hat, klare Anzeichen einer Unterstützung für das Argument, dass NRVs die neueste wissenschaftliche Forschung widerspiegeln sollten, damit bei möglichst vielen Menschen optimale Gesundheit gefördert und das Risiko von Krankheiten reduziert wird. Allerdings gab es zu diesem Punkt während der Sitzung heftige Kontroversen, und der Vorsitzende des Komitees, Dr. Rolf Großklaus, ging sogar soweit, Südafrika während der Präsentation zu unterbrechen, er forderte sie auf, sich zu beeilen und zum Schluss zu kommen. Später enthüllte er seine wahren Ziele, indem er dem Komitee eröffnete, dass der Zweck der Festlegung von NRVs nichts mit optimaler Ernährung zu tun habe.
Es ist in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung, dass während der Sitzung angekündigt wurde, dass die Mutterorganisationen der Codex Alimentarius Kommission – die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – im Dezember im italienischen Florenz eine Sitzung veranstalten, deren Ziel darin besteht, eine Einigung über Prinzipien und Richtlinien zu erreichen, die zu auf Erkenntnissen basierenden Ernährungsstandards führen. Im Rahmen dieser Arbeit werden FAO und WHO offensichtlich die Möglichkeit der Einrichtung einer Expertengruppe zur Festlegung neuer NRVs diskutieren.
Es ist also klar, dass aufgrund der derzeitigen Pattsituation beim Codex in der Frage der Festlegung der NRVs nun die Festlegung der spezifischen Werte selbst stark von FAO und WHO beeinflusst werden könnte. Daher führte zwar die Sitzung des Komitees für Ernährung dazu, dass Südafrika das Mandat zur weiteren Koordination der Arbeitsgruppe zu NRVs behält, aber es ist bemerkenswert, dass das Komitee jetzt als Ziel dieser Arbeit die Konzentration auf Prinzipien für die Begründung der NRVs angibt und nicht mehr die Festlegung spezifischer Werte.
Das Ergebnis der Codex-Diskussionen zu Empfehlungen zur wissenschaftlichen Grundlage von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln (Health Claims) ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der freien Wahl in Gesundheitsfragen, denn damit chronische Krankheiten im Wesentlichen der Vergangenheit angehören können, müssen die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln in der Lage sein, wahrheitsgetreue und nicht irreführende Informationen über ihre Produkte zu geben.
Sie erinnern sich vielleicht an die bedeutende Aussage des Delegierten der Europäischen Kommission bei der Sitzung des Komitees im Jahr 2003, dass Health Claims für Vitamin- und Mineralstoffergänzungsmittel verboten werden sollten. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass der Vorsitzende des Komitees, Dr. Rolf Großklaus, bei der gleichen Sitzung anführte, dass Medikamente Krankheiten lindern und verhindern sollen und die Aufgabe von Nahrungsergänzungsmitteln darin besteht, die Ernährung zu unterstützen, dann zeichnet sich nun immer deutlicher ab, welche Art Welt sich der Codex vorstellt.
Aber wieder einmal, und damit schon das zweite Jahr in Folge, hatte das Komitee nur sehr begrenzte Möglichkeiten, die Empfehlungen bei der diesjährigen Sitzung zu prüfen. Zu den Themen, die während der kurzen Debatte, zu der es kam, diskutiert wurden, gehörten Genehmigungsverfahren für Health Claims, die wissenschaftliche Untermauerung von Health Claims und Behauptungen über die Verringerung von Krankheitsrisiken („Disease Risk Reduction Claims“). Es gab jedoch keine eingehende Untersuchung dieser Themen, und das Komitee vereinbarte, dass diese Arbeit während des nächsten Jahres von einer Arbeitsgruppe unter der Koordination Frankreichs fortgeführt wird.
Es ist also klar, dass das Komitee keine Eile hat, die aktuelle Zensur der Informationen über die lebensrettenden Eigenschaften essentieller Nährstoffe zu beenden.
Das Diskussionspapier verspricht, von besonderem Einfluss für die zukünftige Entwicklung der Richtlinien für Vitamin- und Mineralstoffergänzungsmittel zu sein, da die Richtlinien festlegen, dass die sicheren Obergrenzen von Vitaminen und Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln von einer wissenschaftlichen Risikobeurteilung bestimmt werden. Daher ist es besonders bemerkenswert, dass das Komitee, als diese Frage bei der Sitzung im letzten Jahr diskutiert wurde, andeutete, dass es sich mit der „Überdosierung von Nährstoffen“ befassen werde. Der Inhalt des diesjährigen Diskussionspapiers setzte diesen Tenor im Wesentlichen fort und stellte mehr als klar, dass das Komitee beabsichtigt, Vitamine und Mineralstoffe als gefährliche Chemikalien und nicht als essentielle Elemente der Ernährung zu behandeln. Bis sich dieser Ansatz ändert, werden daher unsere Gesundheit und unsere freie Wahl in Gesundheitsfragen weiterhin in Gefahr sein.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass dieses Thema dieses Jahr aufgrund von Zeitmangel kaum diskutiert wurde. Aber es ist ein schlechtes Zeichen, dass der Vorsitzende des Komitees, Dr. Rolf Großklaus, erklärte, dass diese Arbeit von enormer Bedeutung sei und mit höchster Priorität behandelt werden sollte. Daher scheint es wahrscheinlich, dass diesem Tagesordnungspunkt bei der Sitzung des Komitees im nächsten Jahr in Thailand deutlich mehr Diskussionszeit eingeräumt werden wird.
Es wurde jedoch während der Sitzung auch angekündigt, dass der endgültige Bericht des FAO/WHO Nutrient Risk Assessment Project (Projekt von FAO/WHO zur Beurteilung der Risiken von Nährstoffen) derzeit erstellt wird und Anfang 2006 oder früher zur Verfügung stehen sollte. Der Bericht wird dann bei der Sitzung des Komitees im nächsten Jahr diskutiert. Daher scheint es wahrscheinlich, dass FAO und WHO jetzt sehr großen Einfluss nicht nur auf die Entwicklung der NRVs, sondern auch auf die Festlegung der sicheren Obergrenzen für die Richtlinien für Vitamin- und Mineralstoffergänzungsmittel haben werden.
Die Globale Strategie der WHO zu Ernährung, körperlicher Aktivität und Gesundheit wurde im Mai 2004 von der Weltgesundheitsversammlung unterstützt und erkennt an, dass einige wenige Risikofaktoren, die man größtenteils verhindern kann, die Ursache für die meisten weltweiten Krankheiten sind.
Daher ist es bezeichnend, dass Diskussionen über die mögliche Rolle, die der Codex bei der Umsetzung der Globalen Strategie spielen könnte, ursprünglich fast ganz zu Anfang der diesjährigen Sitzung des Codex-Komitees für Ernährung stattfinden sollten, sie waren als Tagesordnungspunkt 2 angesetzt. Allerdings beschloss das Komitee stattdessen, diese Debatte ganz ans Ende des letzten Tages der Sitzung zu verschieben, und daher stand für die Diskussion dieses Punkts nur sehr wenig Zeit zur Verfügung.
Während der kurzen Diskussion, zu der es kam, präsentierte die WHO ein neues zweiseitiges Antragsdokument, das vom Komitee erwogen werden sollte. Jedoch hatte leider die große Mehrheit der Delegationen dieses Dokument nicht gesehen, da man vorher nicht bekannt gegeben hatte, dass ein solches Dokument existiert und der WHO anscheinend die Kopien zum Verteilen ausgegangen waren. Daher erklärte das Codex-Sekretariat nach einer kurzen Debatte, dass das Komitee der Codex Alimentarius Kommission berichten sollte, dass nicht ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe, um den Antrag vollständig zu besprechen und dass beschlossen worden sei, dass Codex-Delegationen Anmerkungen zum Antrag von FAO und WHO per E-Mail einreichen sollten. Es war jedoch dennoch klar, dass der Mangel an ausreichend Diskussionszeit für dieses Thema beabsichtigt und nicht zufällig war und dass das Pharmakartell am meisten von jeglicher Verzögerung bei der Umsetzung der Globalen Strategie profitieren wird.
Man kann sehen, dass die Arbeit der Codex Alimentarius Kommission und ihres Komitees für Ernährung weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Zukunft der natürlichen Gesundheitsfürsorge und die Begründung eines Neuen Globalen Gesundheitsfürsorge-Systems darstellen.
Im Einzelnen will die Pro-Pharma-Lobby, dass die NRVs auf oder nahe an dem Niveau der empfohlenen Tagesmengen festgelegt werden; dass die Empfehlungen zur wissenschaftlichen Grundlage von Health Claims so weit wie möglich die Verbreitung von lebensrettenden Informationen durch Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln verhindern; dass das Diskussionspapier über Risikoanalyse so abgefasst wird, dass gewährleistet ist, dass die sicheren Obergrenzen von Vitaminen und Mineralstoffen so niedrig wie möglich angesetzt werden; und dass die Umsetzung der Globalen Strategie der WHO zu Ernährung, körperlicher Aktivität und Gesundheit so lange wie möglich hinausgeschoben wird und nicht das Milliarden Dollar schwere „Geschäft mit der Krankheit“ beeinträchtigt.
Es ist daher klar, dass wir jetzt mehr denn je wachsam bleiben und den Druck aufrecht erhalten müssen, da die potenziell schädlichsten Aspekte der Arbeit des Codex-Komitees für Ernährung noch bevorstehen.